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Die Quelle

Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larissa Cosentino
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sah die Priesterin, wie eine zierliche Hand sich auf seine Schulter
legte und ihn sanft auf den Stuhl zurück drückte. Er blickte hoch, doch
konnte auch er nur eine Gestalt sehen, die in einen grauen Mantel mit Kapuze
gehüllt, unmittelbar bei ihm stand. Die Stimme, die die Priesterin nun
hörte, erklang wie die Melodie der heilenden Wogen, die sie nicht vermocht
hatte aufzurufen und sie erfüllte sie mit Geborgenheit.
    „Warte, du wirst Heilung bekommen. Wir sollten noch
einmal gemeinsam beten.“
    Die Priesterin konnte nicht fassen, was sie sah. Die
Fremde streifte die Kapuze von ihrem Kopf, offenbarte ihre feinen, harmonischen
Gesichtszüge, ihr glattes, volles Haar… Makellos war ihre Schönheit,
doch ihre Augen waren es, die sie erstarren ließen… Leuchtende, tief
blaue Augen, in die die Priesterin hineinsah, und von denen sie direkt in die
göttliche Ebene Balderias geführt wurde. Sie war wie hypnotisiert von
diesem Anblick, während ohne ihr Zutun neue Energie in ihren Geist floss.
Langsam doch leidenschaftlich sprach sie, wie ihr geboten worden war, das Gebet
an Balderia und alle Patienten, die nun wieder auf ein Wunder hofften, stimmten
erneut ein, diesmal begleitet von Stellas Stimme.
     
    Es war das erste Mal, seit Anbeginn aller Zeiten, dass
ein Kind der Quelle zu einem Gott betete. Die Klänge von Stellas Stimme
gesellten sich zu denen der Menschen und verliehen deren Gebete die Macht, die
ihnen bislang gefehlt hatte: Die Litanei wandelte sich in Energie, die den Raum
behutsam in blaues Licht einhüllte, während Stellas Stimme durch das
Universum hallte. Sie wurde begleitet von den Stimmen der inbrünstig
beteten Menschen. Jeder von ihnen hörte in Stellas Stimme etwas anderes,
doch spüren konnten alle dasselbe: ihre Körper erfuhren Augenblicke
der Unendlichkeit. Stella verstummte als Erste und langsam kehrte Stille in den
Raum ein. Obwohl die Gebete zu Ende waren, hallten sie noch in den Gedanken der
Anwesenden nach. Noch nie war ein so machtvolles Gebet gesprochen worden und
alle wussten, dass sie ein Wunder erfahren hatten, von Balderias eigener Hand
ausgeführt.
    So falsch lagen sie nicht, denn Stella hatte
gespürt, wie ihre vereinten Stimmen ihr Ziel im Universum gefunden hatten.
Wie ein Magnet hatten sie den Geist Balderias angezogen. Die Göttin
brauchte nur noch dem Pfad der Gebete zu folgen, um in ihre Welt
zurückzukehren. Stella konnte spüren, wie die Menschen, die gerade
von ihrer eigenen Energie geheilt wurden, zu ihr aufsahen und auf ihre Worte
warteten. Keiner mit Ausnahme der Priesterin hatte in ihre Augen sehen
dürfen, dennoch zweifelte niemand daran, dass sich unter dem grauen
unscheinbaren Gewand die Göttin selbst verbarg. Der Mann, der vor kurzem
noch mit dem Tod gerechnet hatte, zitterte vor Glück und wagte kaum zu
atmen: so nah würde er seiner Göttin nie wieder kommen.
    Stella drehte sich langsam zu den Menschen um, die in
dieser kleinen Baracke Heilung gesucht hatten und jetzt vermuteten, das heilige
Antlitz ihrer Göttin zu Gesicht zu bekommen. Leise sprach sie sie an und
wurde von allen erhört.
    „Jedes Lebewesen im Universum verdient Liebe. Zweifelt
niemals daran. Eure eigene Fähigkeit zu lieben hat euch geheilt. Geht nun
und gebt weiter, was ihr gerade erfahren durftet.“
    Mit einem Wink schickte sie eine leichte Energiewelle
durch den Raum, um die Tür der Baracke zu öffnen. Nur zögerlich
gehorchten die Menschen dem stummen Befehl und verließen den Raum. Sicher
trennten sie sich nur ungern von ihr, die sie für ihre Göttin
hielten, dennoch taten sie es, in der Gewissheit zu den wenigen zu
gehören, denen die Ehre zuteil wurde, Balderia selbst gesehen und
gespürt zu haben.
    Stella hatte wieder Hoffnung geschöpft. Die Gebete
dieser wenigen Menschen hatten gereicht, um das zu vollbringen, was sie alleine
nicht geschafft hatte: Balderia zu rufen. Die Priesterin war die einzige, die
den Raum noch nicht verlassen hatte und Stella widmete ihr nun ihre
Aufmerksamkeit. Bis zur Erschöpfung hatte diese Priesterin sich
bemüht, den Menschen zu helfen. Stella bewunderte sie, so verbot sie sich,
diesen Raum zu verlassen, ohne dieser so selbstlosen Priesterin etwas zu
schenken.
    „Danke für Deine Hilfe. Du kannst stolz auf Deine
Leistung und auf Deine bemerkenswerte Willenskraft sein.“
    Lob aus dem Munde derjenigen, die die Priesterin für
ihre Göttin hielt, war das einzige, was Stella ihr schenken konnte, doch
an dem verzückten Lächeln der Priesterin sah

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