Die Quelle
verblutete, nahm
der Priester das Gebet wieder auf, und ließ dabei das Blut über die
Salzwasserschale fließen.
„Wir flehen Dich an, Selimka, nimm als Opfergabe dieses
Landtier an, möge es der Blutzoll unserer Fehltritte sein, möge Deine
Rachsucht in den Gebieten der Hexer die wahren Feinde der Götter treffen
und uns verschonen, die den Göttern dienen! “
Zum Abschluss seiner Bitte vollführte der Priester
vor den Augen des gesamten Stammes einen einsamen Tanz und schließlich
warf er sich zu Boden, um seine Hände in Richtung der fernen Küste
auszustrecken.
‚Das war es,’, dachte Isentien. ‚Jetzt liegt das
Schicksal meines Clans nicht länger in meiner Hand.’
*
Sihldan stand weit hinten zwischen seinen Frauen, denn
Isentien wollte ihn nicht mehr in seiner Nähe haben. Die letzten Tage
waren die längsten in seinem Leben gewesen. Er war dankbar für die
bedingungslose Unterstützung seiner vier Frauen, ohne die er die
vorwurfsvollen Beschimpfungen vieler seines Clans nicht hätte ertragen
können. Einmal mehr lobte er den Tag, an dem er sie zu Gefährtinnen
bekommen hatte… Nun da der Priester seine Predigt beendet hatte und sein Haupt
vor Isentien verneigte, wusste Sihldan, die Zeit war für ihn gekommen, erneut
die Kränkungen seines Vaters zu erdulden. Der alte Anführer wandte
sich um und sah bereits nach ihm. Sihldan spürte wie die Hand Liriadis die
seine kurz drückte, um ihm Kraft zu geben.
Mit erhobenem Haupt ging er nach vorn. Als Sihldan vor
seinem Vater stand, blickte der Clananführer an ihm vorbei, als Zeichen
der Missachtung. Sihldan nahm es hin, wie er all die Erniedrigungen der letzten
Tage hingenommen hatte.
„Verräter Sihldan, du reitest voran. Du wirst als
erster von uns, den lauernden Gefahren begegnen, die Selimka uns in den Weg
legen will. Geh.“
Isentien duldete nicht länger, dass er zu ihm
sprach, so wandte sich Sihldan ab, ohne sich die Mühe zu machen, eine
Antwort zu wagen.
Redriek, sein ältester Sohn, rannte mit einem
gesattelten Pferd im Schlepptau nach vorn und übergab seinem Vater die
Zügel. Sihldan sprang in den Sattel, froh, endlich etwas Distanz zwischen
sich und die vorwurfsvollen Blicke seines Vaters bringen zu können. Den
Weg bis zum Fluss, den er passieren musste, um in das ihnen zugeteilte Gebiet
der Sümpfe zu gelangen, brachte er rasch hinter sich. Nur wenige Minuten
später war er zu der einzigen ihnen bekannten Stelle gelangt, an der das
Wasser flach genug war, um ohne Gefahr passiert werden zu können. Er trieb
sein Pferd voran, das ohne zu zögern langsam durch den Fluss lief.
Nach kurzer Zeit musste es schwimmen, doch der Fluss war
ruhig genug, um dem Tier zu ermöglichen, die Überquerung des Flusses
mühelos zu schaffen. Als Sihldan sicher am anderen Ufer angekommen war,
stieg er vom Pferd und schaute sich genauer um. Es wuchsen nur wenige
Bäume, die das Holz liefern konnten, das sie im Winter zum Heizen brauchen
würden. Das Gras, welches die Pferde dringend für ihre Nahrung
brauchten, sah anders aus, als sie es gewöhnt waren und er fragte sich, ob
diese harten, breiten Halme für Pferde überhaupt essbar waren. Nur
wenige Meter vom Ufer des Flusses entfernt war der Boden bereits von Wasser
durchtränkt, aus schlammigen Pfützen wuchsen mannshohe, breite,
grasähnliche Pflanzen heraus. Leathan hatte ihm Wissen darüber
hinterlassen: Diese Pflanzen, die nur auf moorastigen Boden wuchsen, nannten
sich Schilf. Manche Völker wussten, wie man Mehl aus deren Wurzeln machen
konnte, vermutlich würden die Frauen seines Clans dies rasch erlernen müssen.
Nur am unmittelbaren Ufer des Flusses schien die Welt noch normal zu sein.
Weiches, saftiges Gras zierte die Böschung, als würde es ihn an
bessere Zeiten erinnern wollen, an die Zeiten, als sie noch in der Prärie
leben durften.
Sein Clan beobachtete ihn, inzwischen waren die ersten
Reiter schon am Ufer des Flusses gelangt, doch sie warteten noch mit der
Überquerung. Vielleicht warteten sie auf die Frauen und Kinder, die zu
Fuß gehen mussten, doch Sihldan vermutete, sie warteten auf Isentiens
Befehl, der wohl noch immer damit rechnete, ein Ungeheuer würde seinen
Sohn angreifen. Bedrückt richtete Sihldan seinen Blick in Richtung der
Berge. Sie waren schon nah, wenn sie gut vorankommen würden, wäre es
ihnen möglich diese noch vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen. Er ging
einige Meter weiter, um den Weg zu erkunden, den sie vermutlich gleich gehen
würden. Der Boden am Ufer
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