Die Quelle
fragen, setzte er sich an ihre Seite.
Nur wenig später atmete sie tief durch und erwachte aus ihrer Trance. Sihldan
musterte sie ernst.
„Du hast dich als Leathan mit mir beraten, willst du
jetzt nur um der göttlichen Erscheinung deines Körpers zu
entsprechen, alles für dich behalten? Du verlangst zu viel von dir. Sprich
mit mir, oder sprich mit Esseldan, wenn dir das lieber ist, aber teile deine
Last mit deinen Freunden.“
Stella wurde plötzlich schmerzlich bewusst, wie
einsam sie war, doch zu wirr waren ihre Gedanken, um sie in Worte zu fassen und
zu groß ihr Leid, zu fremd ihr Geist, um sich Sihldan über den Weg
der Verschmelzung zu offenbaren.
„Ich bin einfach nur müde und ich habe Angst Fehler
zu machen. Es steht einfach zu viel auf dem Spiel.“
Sihldan nickte verständnisvoll. „Ob wir nun einen
Sieg oder eine Niederlage erleben werden, das haben wir alle zusammen zu
verantworten, nicht du allein. Du hast sehr viel bewirkt und dank deines Opfers
sind wir sehr weit gekommen, doch vielleicht sollten wir einfach das letzte
Stück des Weges alleine gehen. Du hast dich mir damals als Bote
vorgestellt, als Bote des Königs… Er ist nun zurück. Ist deine
Aufgabe nicht schon längst erfüllt? Ruh dich aus, das brauchst du
vermutlich mehr, als dir bewusst ist. Anthalion hat dir mehr geschadet, als du
es zugeben willst. Gönn dir selbst etwas Zeit zur Erholung.“
Die Versuchung, auf Sihldan zu hören, war
groß, doch wie hätte sie aufgeben können, nun da sie so nahe an
ihrem Ziel war? Wäre dann nicht ihr gesamter Kampf sinnlos gewesen?
„Ich kann jetzt nicht mehr aufhören. Ich bin schon
viel zu weit gegangen, um mich jetzt noch zurückzuziehen. Ich muss das Tor
zur Quelle wieder öffnen…“
Sihldan seufzte. Er spürte, dass er kaum Hilfe
bieten konnte. Er selbst war sich nicht im Klaren darüber, ob der See der
Quelle es wert war, weitere Opfer zu bringen, doch was wusste er schon? Seine
Ziele waren bescheidener. Er wollte lediglich die Identität seines Clans
bewahren und ihn vor dem Hungertod retten. Dafür musste er die Herrschaft
Anthalions bekämpfen und durch das Einlenken Balderias und Iridiens schien
sein Ziel zum Greifen nahe zu sein. Die weiteren Zusammenhänge entzogen
sich seinem Verständnis für die Welt und spielten in seinen Gedanken
keine wirkliche Rolle.
„Ich wünschte, ich könnte verstehen, was daran
so wichtig ist. Wir Nomaden brauchen das Tor der Quelle nicht.“
Stella lächelte. „Dir fehlt nur der Vergleich, um zu
verstehen. Wenn die Quelle dieser Welt fern bleibt, werden eines Tages auch die
Götter aufhören, magische Kräfte zu spenden, nicht nur weil sie
es nicht mehr für nötig halten, sondern auch, weil es ohne die
Nähe der Quelle für sie sehr kräfteraubend wird. So ist es in
einer Welt geschehen, in der ich viele Jahre verbracht habe. In dieser Welt
möchtest auch du nicht leben… Hier, in der Ker-Deijas, durfte ich eine
wunderschöne Entwicklung der Menschen beobachten. Ich möchte nur
sterblichen Seelen die Möglichkeit bewahren, zumindest einmal in solch
einer Welt geboren zu werden.“
Sihldan betrachtete den See, erspürte die Macht der
Schwerter, die keiner sonst erspüren konnte… dann sah er erneut zu Stella.
Sie wirkte verloren und Sihldan verstand sie plötzlich. Fast schalt er
sich selbst, dies nicht früher verstanden zu haben. Er hatte gesehen, wie
viel Liebe zwischen ihr und den König gelegen hatte. Er hatte gesehen, wie
ihre Liebe ihr die Kraft gegeben hatte, sich von Anthalions Folter zu erholen
und nun war er gerade Zeuge davon gewesen, wie diese Liebe zerbrochen war.
„Dann lass es mich für dich vollbringen, wenn es dir
so wichtig ist. Das ist es doch, worum du mich gebeten hast, als du mir das
Geheimnis der Schwerter anvertraut hast.“
Er legte eine Hand auf ihre Schulter und sah sie an. Er
wusste, sie war kein Mensch, doch in diesem Augenblick war sie es. Sie war ein
Mensch, sie war eine Frau, die um ihre Liebe trauerte. Einmal mehr
wünschte er sich, sie hätte auf eine weibliche Gestalt verzichtet,
doch hätte es ihr geholfen? Er kannte auch Männer, die an ihren
Gefühlen zerbrochen waren.
„Ruh dich aus. Auch du darfst dich manchmal an andere
anlehnen und die Verantwortung abgeben. Du weißt, ich kann sie tragen,
sonst hättest du mich nicht darum gebeten.“
„Aber was bleibt mir noch, wenn aufhöre für
meine Ziele zu kämpfen?“
„Was uns allen bleibt, wenn die Schlacht vorüber
ist: zunächst Leere.
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