Die Quelle
würden sie herrschen, Seite an Seite. Er, der König
des Volkes der Wächter an der Seite seiner Königin, ein Kind der
Quelle… Er, an der Seite derjenigen, die er liebte. Sie würde das Tor
wieder öffnen, vermutlich, doch auch wenn es ihr nicht gelingen
würde, so würden sie über die Macht verfügen, die sie
brauchten, um ihr Reich zu schützen. Er konnte spüren, wie Stella
sich bereits auf den Pfad begeben hatte, die es ihr ermöglichte, trotz des
Versiegens der Quelle die Energie des Lebens in sich aufzurufen. Kein Mensch
konnte das… Nur sie… und sie würde es ihn lehren. Er atmete tief ein und
versuchte ihre Gedanken zu erspüren, vorsichtig, zärtlich bat er um
Eintritt in ihren Geist… Er konnte das Licht bereits sehen, das ihren Geist
erwärmte und erhellte. Dieses Licht, aus dem die Kinder der Quelle geboren
waren, ehe sie es lachend in das Universum hatten fließen lassen, um es
zu erschaffen...
‚Diesen Pfad kannst du nicht gehen, mein Liebster…’
‚Nimm mich mit... Es gibt nichts, was du nicht kannst,
Stella.’
‚Ich habe das Lachen der Kinder verlernt, als ich ein
Mensch wurde. Ich erschaffe keine neuen Wege mehr, keine neuen Welten… Ich bin
kein Kind der Quelle mehr, nur noch ein sterbliches Wesen, wie du eines bist,
wenn auch meine Fähigkeiten die deinen überragen. Deine Machtgier
wirst du in meiner Nähe nicht stillen können.’
Erschrocken öffnete der König die Augen. Sie
duldete die Nähe seines Geistes nicht länger. Er sah auf das reglose
Antlitz von Stella, die noch immer neben ihm saß, noch immer in seinen
Armen. Sie war in ihrer Trance geblieben, als seien ihre Worte bedeutungslos
gewesen, als sei ihre gemeinsam erschaffene Welt nicht gerade zusammengebrochen.
Er ließ sie los, um aufzustehen. Sie rührte sich nicht, sie sah ihn
nicht einmal an… Er konnte sehen, wie das Blau ihrer Augen intensiver wurde,
während die Macht in ihr wuchs… Die Macht, die sie ihm verweigerte. Der
König spürte Enttäuschung… und auch Zorn.
„Du lügst mich an, Stella… Du lügst, aber ich
brauche dich nicht, um zu herrschen…“
*
Stella war allein am Ufer des Sees zurückgeblieben.
Sie war aus ihrer Trance erwacht, und versuchte zu verstehen, was sie erfahren
hatte. Sie versuchte zu verstehen, was geschehen war… und was die Götter
von ihr verlangten…
Sie hatte zunächst nicht wahrhaben wollen, was ihre
Visionen ihr verraten hatten, doch sowohl Balderia als auch Iridien hatten ihr
Wissen bestätigt… Konnte sich Stella da noch Zweifel erlauben? Natürlich
konnte sie. Zweifel waren menschlich… Sie wollte nicht die Meinung der
Götter übernehmen, nicht ihren Visionen vertrauen, nicht König
Leathan aufgeben…
Sie konnte sehen, wie er mit Esseldan, Galtiria und
Sihldan am Lagerfeuer der Nomaden saß. Telepathisch trat sie mit Esseldan
in Verbindung, um dem Gespräch zu folgen, das gerade zwischen den Vieren
stattfand. Sie würde sicherlich gleich die Zweifel ablegen können,
die sie erfasst hatten. Esseldan hatte längst ihre Anwesenheit in seinem
Geist gespürt und er hatte sich bei ihr für seine Rettung bedankt…
War er der erste, der ihr gedankt hatte? War es überhaupt wichtig?
Als Stella mitbekam, dass die kleine Gruppe gerade
beschloss, Späher zu entsenden, um herauszufinden, wo sich Anthalions
Armee sammelte, stand sie auf und gesellte sich zu ihnen. Sie hatte genug Zeit
damit verbracht, mit der Umgebung zu verschmelzen, um das Entsenden von
Spähern unnötig zu machen.
„Sie sammeln sich auf den Schiffen. Anthalion wird
sicherlich erst angreifen, wenn Kegalsik wieder an seiner Seite ist.“
Der König betrachtete sie besorgt, doch sie
ignorierte ihn. Sie wollte nicht länger, dass er sich um sie
kümmerte, sie wollte ihn nicht länger in ihrer Nähe haben… War dies
das Ende, für das sie gekämpft hatte? Hatte sie nicht alles getan,
nur um bei ihm zu sein?
Sihldan riss sie aus ihren Gedanken. „Bist du dir sicher,
dass es alle sind?“
„Was meinst du?“ Sie verstand einfach nicht, wovon
Sihldan sprach...
„Die Soldaten. Bist du dir sicher, dass sie alle an Bord
der Schiffe sind?“
Stella nickte. Sie hatte es nur unbewusst gesehen, als
sie sich mit der Welt vereint hatte, um Energie zu schöpfen, doch sie war
sich dessen sicher.
Der König sah sie plötzlich neugierig an, fast
ein wenig herausfordernd. „Du trägst als einzige von uns die Macht in dir…
Kannst du ein Unwetter herbeirufen, das die Schiffe zerstört?“
Wie konnte er
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