Die Quelle
war in etwa fünfundzwanzig Jahre alt, an seinem
Waffengurt hingen ein Schwert und ein Dolch. Beide Waffen waren jedoch von der
weiten Tunika, die er trug, halb verdeckt. Sein ruhiges Auftreten ließ
die Hoffung zu, dass er nicht gedachte, von seinen Waffen Gebrauch zu machen.
Leathan konnte in seinen Erinnerungen Bilder finden, die zeigten, wie er und
Serfaj zusammen aufgewachsen waren. Diesmal schaffte er es wieder, auf Serfajs
Wissen zurückzugreifen und er fand heraus, wie wenig Serfaj diesen etwas
jüngeren Krieger geschätzt hatte.
Ruvin war ihm zu sanft vorgekommen, das hatte Serfaj als
Schwäche gedeutet. Das machte den jungen Krieger wiederum in Leathans
Augen sympathischer. Er betrachtete den etwas feingliedrigen Krieger und trotz
seines ersten positiven Eindrucks, hatte Leathan nicht vor, es ihm leicht zu
machen, seiner widerlichen Aufgabe nachzugehen.
Offensichtlich kannte Ruvin Loodera, denn er
lächelte warm, als er sie sah. Erst als sie nicht darauf reagierte,
erinnerte er sich an den magischen Schleier, der es Loodera verbot, ihn zu
sehen. Er rollte mit den Augen, verärgert über seine undankbare Arbeit.
Als er Leathan gegenüber trat, neigte er den Kopf in respektvollem
Gruß.
„Leathan, es ist mir eine Ehre, dich kennen zu lernen.
Ich bedaure sehr, dass es unter diesen Umständen passiert. Ich hoffe, dass
du dadurch keinen allzu schlechten ersten Eindruck von unserem Volk gewonnen
hast.“
Leathan konnte die Ehrlichkeit in Ruvins Worten deutlich
spüren, doch er war noch immer verärgert über das Vorgehen und
er hatte Ruvins Schwachpunkt schon im ersten Augenblick bemerkt.
„Nun, mein erster Eindruck war von Loodera geprägt,
er konnte daher nur gut sein. Der zweite Eindruck ist der schlechte. Ich frage
mich nun, wann du versuchen wirst, in meine Gedanken einzubrechen… Würde
es dir gefallen, Looderas Schönheit durch meine Augen sehen?“
Loodera blickte verlegen zu Boden, während Ruvin
einem leichten Anflug von Eifersucht unterlag. Wie menschlich… Der junge
Krieger fing sich jedoch rasch und ignorierte die Provokation.
„Du bist von uns eingeladen worden und ein Ehrengast. Ich
werde deine Gedanken nicht einmal zu streifen wagen, denn das gehört sich
nicht. Unser Volk weiß jedoch und akzeptiert es, dass wir in
Notfällen zu solchen Maßnahmen greifen können. Es ist daher
nichts Verwerfliches.“
Er warf einen besorgten Blick zu Loodera, ehe er weiter
sprach.
„Ich muss jetzt auch Loodera prüfen… Du hast ihr
sicherlich schon über unser Vorgehen berichtet…“
Leathan konnte, was folgen würde, kaum erwarten. Er
antwortete, doch seine Aufmerksamkeit galt nicht länger Ruvin sondern
Loodera.
„Ja, selbstverständlich. Sie weiß, dass du
ihre Gedanken lesen wirst. Tu es einfach.“
Ruvin legte für einen kurzen Augenblick eine Hand
auf Looderas Schulter, um den Bann zu brechen. Nun konnte auch sie ihn sehen
und erkennen, wer sie befragen sollte.
„Ruvin…“
Auch ihre Augen leuchteten kurz auf, als sie ihn sah,
doch es war schwer zu erkennen, ob es lediglich Sympathie war oder doch mehr.
Leathan stimmte es traurig. Wie schwer musste es sein, Gefühle
ständig zu verdrängen...
„Loodera. Ich wollte nur, dass du weißt, dass ich
es bin, der dich nun prüfen wird. Es tut mir leid, ich hoffe, du
akzeptierst es.“
Loodera senkte den Blick, als ahnte sie, dass nun die
letzten Augenblicke ihrer Freiheit gekommen waren. Ihre Stimme klang gefasst
und Leathan bewunderte sie dafür. „Das ist deine Pflicht. Bringen wir es
hinter uns.“
Nun wirkte Ruvin etwas verlegen.
„Ich habe es schon versucht, doch deine Gedanken sind
gesperrt. Bitte entspann dich, ich möchte dich wirklich nicht zu Mehana
abführen müssen.“
Fast wirkte Loodera verärgert, als sie zu Leathan
sah. Möglicherweise wollte sie gefasst werden, nur um sich nicht
länger verleugnen zu müssen.
„Das bist du… Kannst du es bitte aufheben?“
Das war der Augenblick, auf den Leathan gewartet hatte.
„Nein.“
Ein herausforderndes Leuchten blitzte in seinen Augen
auf.
*
Der übergroße Saal zu dem Ruvin Loodera und
Leathan geführt hatte, bestand nur aus kahlen, weißen Steinmauern.
Die Schöhnheit des Saals lag allein im Ausblick, den die großen
Arkaden entlang der Mauern erlaubten. Links konnte Leathan die gesamte Pracht
der Stadt in seinem Blickfeld bekommen, während er aus den Arkaden
gegenüber einen ersten Eindruck von der Landschaft außerhalb der
Stadt genoss. Nur kurz nahm er sich die
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