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Die Rache

Die Rache

Titel: Die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin Colfer
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meisten Leute hätten die Anzeige ignoriert. Schließlich gab es im Umkreis von einem Quadratkilometer um das Hotel Kronski Tausende von Elektrogeräten. Aber auf normale elektrische Felder reagierte der EyeSpy gar nicht, und Butler war nicht wie die meisten Leute. Er zog die Antenne des Suchers heraus und bewegte das Gerät im Raum hin und her. Der Ausschlag war am stärksten, wenn er die Antenne Richtung Balkontür hielt. Furcht krallte sich wie eine Klaue in Butlers Eingeweide. Etwas Fliegendes näherte sich mit hoher Geschwindigkeit.
    Er stürzte zu der Glastür, zerrte die Vorhänge zur Seite und riss beide Türflügel weit auf. Der Winterhimmel war blassblau mit erstaunlich wenig Wolken. Und dort, auf einer Höhe von zwanzig Grad, flog in einer sanft gewölbten Bahn eine tropfenförmige Rakete aus blauem Metall. An der Spitze blinkte ein rotes Lämpchen, und aus ihrem Heck loderten weiß glühende Flammen. Und sie kam direkt auf das Hotel Kronski zu. Das ist eine Hightech-Bombe , sagte sich Butler, ohne eine Millisekunde zu zweifeln. Und ihr Ziel ist Master Artemis. Butlers Gehirn ratterte durch die Liste von Alternativen. Es war eine kurze Liste. Im Grunde gab es nur zwei Möglichkeiten: verschwinden oder sterben. Aber wie verschwinden, das war die Frage. Sie befanden sich im dritten Stock, und der Ausgang war an der falschen Seite. Er nahm sich einen Moment Zeit, um das nahende Geschoss noch einmal zu betrachten. Es sah vollkommen anders aus als alles, was ihm bisher untergekommen war. Sogar die Abgase waren anders als bei konventionellen Waffen, fast ganz ohne Kondensstreifen. Was es auch sein mochte, es war brandneu. Jemand schien sehr erpicht darauf zu sein, dass Artemis starb.
    Butler wandte sich von der Balkontür ab und stürzte in Artemis' Zimmer. Der junge Master war eifrig mit seinen Tests am Elfendieb beschäftigt.
    »Gibt es ein Problem?«, fragte Artemis.
    Butler antwortete nicht, dazu war keine Zeit. Stattdessen packte er den Teenager am Kragen und schwang ihn sich auf den Rücken.
    »Das Bild!«, rief Artemis, halb erstickt vom Jackett seines Leibwächters.
    Butler packte die Leinwand und stopfte das kostbare Meisterwerk ohne Umschweife in seine Jackentasche. Hätte Artemis gesehen, wie die hundert Jahre alte Ölfarbe brach, hätte er geweint. Doch Butler wurde dafür bezahlt, dass er ein bestimmtes Objekt beschützte, und das war nicht der Elfendieb. »Halten Sie sich fest, so gut Sie können«, befahl der massige Leibwächter und hievte die King-Size-Matratze vom Bett.
    Artemis tat, wie befohlen, und versuchte, nicht zu denken. Dummerweise analysierte sein brillanter Verstand automatisch die vorhandenen Daten: Butler war in hohem Tempo und ohne anzuklopfen ins Zimmer gekommen, also drohte irgendeine Gefahr. Dass sein Leibwächter sich weigerte, Fragen zu beantworten, ließ vermuten, dass die Gefahr unmittelbar drohte. Und die Tatsache, dass er sich an Butlers Rücken festklammerte, deutete an, dass sie der besagten Gefahr nicht auf einem der üblichen Wege ausweichen würden. Die Matratze wiederum legte die Vermutung nahe, dass sie eine Form von Aufprallschutz benötigten.
    »Butler«, stieß Artemis hervor, »Ihnen ist doch klar, dass wir im dritten Stock sind?«
    Möglich, dass Butler antwortete, doch sein Arbeitgeber hörte es nicht, da der riesige Leibwächter sich mitsamt seinem Passagier bereits durch die offene Glastür und über das Balkongeländer geworfen hatte.
    Bevor sie in die Tiefe stürzten, wirbelte die Luftströmung die Matratze für den Bruchteil einer Sekunde herum, sodass Artemis zurück in sein Zimmer blicken konnte. In diesem winzigen Augenblick sah er, wie ein seltsames Geschoss sich durch die Zimmertür bohrte und direkt über der leeren Kunststoffrolle zum Stillstand kam. In der Rolle war irgendein Zielgeber , meldete sich der winzige Teil seines Gehirns, der nicht vor Panik erstarrt war. Jemand will mich umbringen. Dann kam der unvermeidliche Sturz. Zehn Meter. Direkt nach unten.
    Butler streckte Arme und Beine automatisch wie ein Fallschirmspringer von sich und hielt die Ecken der Matratze fest, damit sie sich nicht überschlug. Der Luftwiderstand unter der Matratze bremste ihren Sturz ein wenig, aber nicht viel. Die beiden segelten rasant abwärts, und die Erdanziehungskraft beschleunigte sie noch mit jedem Zentimeter. Himmel und Erde schienen zu zerfasern und zu verlaufen, wie Farben auf einer Leinwand, und es schien nichts Festes mehr zu geben. Dieser Eindruck

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