Die Rache
Sherry-Trifles herumschwappten. Daneben ein Stück zusammengeknüllte, mit Soße bekleckste Alufolie. Ein hungriger Entführer? Anderthalb Meter weiter fand er eine leere Flasche Moët-Chandon und ein abgenagtes Hühnerskelett. Wie viele Einbrecher waren denn hier gewesen?
Die Essensreste bildeten eine Spur, die zum Arbeitszimmer im ersten Stock führte. Butler folgte ihr die Treppe hinauf, wobei er über ein halb gegessenes T-Bone-Steak, zwei angekaute Stücke Früchtekuchen und die Baiserdecke einer Pawlowa hinwegsteigen musste. Unter der Tür des Arbeitszimmers schien ein Lichtstreifen heraus, in dem ein kleiner Schatten zu erkennen war. In dem Zimmer war jemand. Ein nicht sehr großer Jemand. Artemis?
Butler verspürte einen Moment Erleichterung, als er die Stimme seines Arbeitgebers vernahm, doch die erlosch sofort wieder. Er kannte die Worte bereits, er hatte sie im Auto gehört. Der Eindringling spielte die Nachricht auf dem Anrufbeantworter ab.
Butler schlich in das Arbeitszimmer, so leise, dass nicht einmal ein Reh ihn bemerkt hätte. Schon von hinten sah dieser Eindringling ziemlich merkwürdig aus. Er war kaum einen Meter groß, mit kräftigem, untersetztem Oberkörper und muskelbepackten Armen und Beinen. Er schien von oben bis unten mit dichten, drahtigen Haaren bedeckt zu sein, die sich von allein bewegten. Auf seinem Kopf saß ein Helm aus demselben leuchtenden Zeug, das die Alarmanlage lahm gelegt hatte. Er trug einen blauen Overall mit einer Klappe am Po. Die Klappe war halb aufgeknöpft und stellte ein behaartes Hinterteil zur Schau, das Butler auf beunruhigende Weise bekannt vorkam.
Die Nachricht auf dem Anrufbeantworter näherte sich dem Ende. Artemis' Entführerin schilderte, was sie mit ihren Gefangenen vorhatte. »O ja«, sagte sie. »Ich hatte mir eine hübsche Gemeinheit für Foaly ausgedacht, etwas Theatralisches mit den elf Weltwundern. Aber jetzt habe ich beschlossen, dass ich sie lieber Ihnen angedeihen lasse.«
»Was für eine Gemeinheit?«, fragte Holly, Artemis' neue Verbündete.
»Eine trollige Gemeinheit«, antwortete Opal.
Der seltsame Fremde gab ein lautes Schmatzen von sich und warf sich die Überreste eines ganzen Lammrückens über die Schulter. »Oh-oh«, sagte er. »Das ist aber übel.«
Butler legte seine Waffe an und zielte damit auf den Eindringling. »Das hier wird noch übler«, sagte er.
* * *
Butler verfrachtete den Eindringling auf einen der Ledersessel im Arbeitszimmer, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich ihm gegenüber. Von vorne sah dieses kleine Wesen noch seltsamer aus. Sein Gesicht war im Grunde ein Wust von drahtigem Haar mit Augen und Zähnen darin. Die Augen glühten bisweilen rot auf wie die eines Fuchses, und die Zähne sahen aus wie ein doppelreihiger Lattenzaun. Das war kein behaartes Kind, sondern irgendein erwachsenes Geschöpf.
»Lassen Sie mich raten«, seufzte Butler. »Sie sind ein Elf.«
Der Eindringling setzte sich empört auf. »Wie können Sie es wagen!«, rief er. »Ich bin ein Zwerg, das wissen Sie ganz genau.«
Butler rief sich Artemis' seltsame Nachricht ins Gedächtnis.
»Warten Sie, ich kannte Sie mal, aber irgendwie habe ich es vergessen. Ach ja, die unterirdische Polizei hat meine Erinnerungen gelöscht.«
Mulch rülpste. »Korrekt. Sie sind nicht so langsam, wie Sie aussehen.«
Butler hob seine Waffe. »Die ist immer noch auf Sie gerichtet, also nicht so frech, kleiner Mann.«
»Verzeihung, aber mir war nicht klar, dass wir auf einmal Feinde sind.«
Butler beugte sich vor. »Wir waren also Freunde?«
Mulch überlegte einen Moment. »Nein, anfangs nicht. Aber ich glaube, mit der Zeit bin ich Ihnen aufgrund meines Charmes und meines edlen Charakters ans Herz gewachsen.«
Butler schnüffelte. »Und wegen Ihrer Körperhygiene?«
»Das ist nicht fair«, protestierte Mulch. »Haben Sie eine Ahnung, was ich alles anstellen musste, um hierher zu kommen? Ich bin aus einem U-Shuttle geflohen und mehrere Meilen durch eisiges Wasser geschwommen. Dann musste ich bei einem Schmied im Westen von Irland einbrechen - so ziemlich die einzige Ecke, wo es noch Schmiede gibt -, um meinen Mundring loszuwerden. Fragen Sie lieber nicht, wieso ich den umhatte. Und jetzt, wo ich endlich hier bin, bedroht mich einer meiner einzigen Freunde auf der Welt mit einer Pistole.«
»Mir kommen gleich die Tränen«, sagte Butler.
»Sie glauben mir nicht, was?«
»Sie wollen wissen, ob ich an unterirdische Polizei und
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