Die Rache-Agentur
nach dem Hörer. «Ich rufe schnell mal Flick an», sagte sie zu Joanna. «Ich fand, dass sie ein bisschen kränklich aussah, was meinst du?»
Joanna zuckte mit den Schultern. «Sie hat gemeint, dass sie nicht besonders viel Schlaf abgekriegt hätte, doch ich habe vermutet, es läge einfach nur an der Hitze. Genau genommen war sie tatsächlich ziemlich still, und das passt definitiv nicht zu Flick!»
Georgie lachte, doch ihre Besorgnis wuchs, als nach langem Klingeln schließlich der Anrufbeantworter dranging. «Wahrscheinlich ist sie Schuhe kaufen. Ich probier’s auf ihrem Handy.»
Doch auch da wurde sie direkt zur Mailbox weitergeleitet. Etwas stimmte hier nicht. «Hi, Flick, ich bin’s. Wollte mich einfach nur melden, um sicherzugehen, dass du …» – was genau? Warum hatte sie angerufen? Um sich davon zu überzeugen, dass es ihrer Freundin gutging. Georgie rieb sich über die Stirn. Sie begriff, dass sie sich Flick anvertrauen und ihr alles erzählen wollte, was sie in den E-Mails über Ed und Lynn herausgefunden hatte – «… zu Hause bist, äh, ich dachte, ich komme später vielleicht vorbei. Ruf mich doch bitte an, wenn du diese Nachricht abgehört hast, ja? Danke.»
Flick zu besuchen war zudem eine gute Idee, weil das hieß, dass sie nicht zu Hause wäre, wenn Ed heimkam.
Heute Morgen hatte sich ihre Unterhaltung einzig um die bevorstehende Eröffnung seines Atriumprojekts in der Nähevon King’s Cross gedreht. Die schlechte Stimmung hatte ihn nicht davon abgehalten, ausführlich davon zu erzählen, dass das Projekt für einen Architekturpreis nominiert war, dass Lord Rogers vielleicht zur Eröffnung erscheinen würde und dass sein Name, wenn er auch nicht Projektleiter war, bei den ganz großen Tieren bekannt würde. Ihr mangelndes Interesse schien ihn in keiner Weise davon abzuhalten weiterzuschwafeln. Vielleicht fand Ed, dass ein neutrales Thema sie von üblen Konfrontationen abhalten würde. Oder er war wieder mal so von sich selbst eingenommen, dass es ihn nicht interessierte, ob Georgie bei der Sache war oder nicht. Langsam schüttelte sie den Kopf. Vermutlich kam dies der Wahrheit am nächsten.
Joanna machte Feierabend, und um kurz nach fünf war Georgie wirklich besorgt, nachdem sie den ganzen Nachmittag lang versucht hatte, Flick auf beiden Nummern zu erreichen. Sie probierte es noch ein weiteres Mal, dann machte sie ebenfalls Schluss, schloss hinter sich ab und steuerte auf ihren Wagen zu. Es war die schlimmste Zeit des Tages, um durch die Straßen Südlondons zu fahren. Georgie trommelte gereizt mit den Fingern auf das Wagendach, während sie den Ellbogen im Rahmen des geöffneten Fensters aufgestützt hatte. Auf dem Beifahrersitz lag ihr Handy, für den Fall, dass Flick zurückrief. Georgie hatte ihr keine weiteren Nachrichten hinterlassen – vielleicht hatte sich Flick hingelegt und das Telefon ausgeschaltet –, aber ihre Rufnummer im Display würde anzeigen, wie oft sie angerufen hatte. Flick würde doch sicherlich sofort zurückrufen, sobald sie dies bemerkte, oder?
In Flicks Straße parkten bereits ziemlich viele Autos, als Georgie dort ankam. Sie fand einen Parkplatz um die Ecke, und die Vorfreude auf eine Tasse Tee und einen Plausch über Ed und alles andere beschleunigte ihre Schritte, als sie zu Flicks Wohnung ging. Sie klingelte und trat einen Schritt zurück.Georgie blinzelte, als ihr die tiefstehende Sonne in die Augen schien. Dann lauschte sie angestrengt auf das Geräusch von herannahenden Schritten auf der Treppe. Flick nahm immer gleich mehrere Stufen auf einmal, bevor sie die Tür aufriss. Nichts. Georgie probierte es noch einmal und blickte dann links und rechts die Straße hoch, während sie sich fragte, ob sie so zwielichtig aussah, wie sie sich vorkam. Ein paar kleine Jungen wechselten sich mit einem Skateboard ab und lachten und quiekten vor Vergnügen. Weiter hinten tauchte eine Frau mit zwei kleinen weißen Hunden auf, die an ihren Leinen zerrten und es eilig zu haben schienen, nach Hause zu kommen. Immer noch nichts. Georgie rief Flicks Festnetznummer an und hörte es im Inneren des Hauses klingeln. Wo steckte sie bloß?
Georgie fuhr zusammen, als sich die Frau mit den Hunden hinter ihr räusperte. «Sie ist ausgegangen, meine Liebe. Schon am frühen Nachmittag. Ich habe sie gesehen. Sie sind in den großen Wagen eingestiegen und davongefahren.»
«Haben Sie gesehen, mit wem sie zusammen war?»
«Nein. Nur einen Mann. Einen großen Mann.»
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