Die Rache-Agentur
Flick klopfte an die Tür, doch niemand öffnete. Sie kletterte über den Mülleimer am Eingang und spähte durch das Erkerfenster, wobei sie eine Hand gegen die Scheibe hielt, um nach innen blicken zu können. Das Wohnzimmer wirkte mit seinen Ledersofas, den eleganten Lampen und Skulpturen in strenger Anordnung makellos wie immer. Nur ein Paar feuerroter Kinderballerinas lag auf dem Boden. Nirgends ein Hinweis darauf, wo Georgie war und weshalb sie nicht öffnete. Ihr Auto stand etwas weiter oben geparkt, und Flick blickte die Straße hinauf, um zu sehen, ob sie Georgie entdecken konnte. Vielleicht war sie schnell zum Laden an der Ecke gegangen, um etwas zu besorgen? Flick ließ sich auf der Treppe vor dem Haus nieder, um einen Moment auf sie zu warten. Sie schloss die Augen und genoss die warmen Sonnenstrahlen. Das hatte sie seit einer Ewigkeit nicht mehr getan. Nach ein paar Sekunden entspannte sie sich und ließ die Schultern nach unten sinken.
Zehn Minuten später war von Georgie noch immer keine Spur zu sehen. Sie konnte überall sein. Sie konnte sogar spazieren gegangen sein, auch wenn das mitten an einem Arbeitstag relativ unwahrscheinlich war. Doch um Libby von der Schule abzuholen, war es noch zu früh, wie Flick mit einem Blick auf die Uhr feststellte. Sie stand auf, streckte sich und spähte erneut durch das Fenster nach drinnen. Dann ging sie zurück zur Haustür und klopfte noch einmal lauter an.
Flick wollte gerade gehen, als sie hörte, wie das Sicherheitsschlossentriegelt wurde. Langsam öffnete sich die Tür, und Flick erblickte Georgie in einem Zustand, in dem sie ihre Freundin noch nie gesehen hatte. Ihr Gesicht war aschfahl, und sie schien um dreißig Zentimeter geschrumpft zu sein, als sie gebeugt und hutzelig vor ihr stand. Georgie blinzelte Flick gegen den Sonnenschein an, als hätte sie geschlafen und wäre gerade eben erst wach geworden.
«Mein Gott, du siehst ja schrecklich aus. Hast du dir einen Virus eingefangen?»
Georgie antwortete nicht, sondern wandte sich von der Tür ab und ließ sie offen, damit ihr Flick folgen konnte. Flick schloss die Tür und lief Georgie hinterher, die in die Küche schlurfte.
«Ich mache mir Sorgen um dich, Kleine», plauderte Flick. «Ich wollte nur sichergehen, dass du – ach, du meine Güte! Was ist denn hier passiert?»
Der Boden war mit Scherben übersät. Flick betrachtete das Chaos und blickte Georgie an. «Was, in aller Welt, ist hier los, Georgie?»
«Ed – er hat eine Affäre.» Georgie sah Flick mit riesigen Augen an wie ein Kind. Es herrschte langes Schweigen. Flick wusste nicht, was sie sagen sollte, oder vielmehr fiel ihr nichts ein, das nicht abgedroschen oder dämlich klang. Georgie schien sich darauf zu konzentrieren, den Wasserkocher einzuschalten, und kochte mit schlafwandlerischen Handgriffen Tee. Spontan fegte sie einen Stapel Unterlagen von der Anrichte, um Platz für die Teebecher zu machen. Flick, die sich nutzlos fühlte, ging schließlich zum Küchenschrank unter dem Spülbecken, doch sie wusste nicht, wie sie ihn öffnen sollte, da an der Tür kein Griff angebracht war. Georgie, die hinter ihr vorbeilief, tippte die Tür mit dem Fuß an, und sie öffnete sich geräuschlos. Wie Flick vermutet hatte, stapelten sich im Inneren Küchenreiniger, Putzlappen, Spülmaschinentabs – die klassischen Dinge eben, die man brauchte, um eineKüche sauber zu halten. Allerdings standen sie im krassen Gegensatz zu diesem Raum, der so wenig mit einer Küche gemein hatte. Wie Flick vermutet hatte, waren Kehrschaufel und Handbesen hinter einer Flasche mit Bleichmittel zu finden.
Weil sie es nicht wagte, etwas zu sagen, begann sie sorgsam, die Scherben vom Boden aufzukehren. Die Wucht von Georgies Wurf hatte Spuren an der gegenüberliegenden Wand hinterlassen, und überall im Raum lagen kleine Splitter verteilt. Flick brauchte gute fünf Minuten, bis sie alle gefunden hatte, und diese Aufgabe wurde zusätzlich durch die Papiere erschwert, die verstreut auf dem Boden lagen.
«Libby sollte in der nächsten Zeit hier drinnen lieber Schuhe tragen», sagte Flick schließlich. Georgie gab keine Antwort. Stattdessen nahm sie das Tablett und marschierte in Richtung Wohnzimmer davon. Flick wickelte die gefährlich aussehenden Scherben in eine Zeitung, die sie auf dem Mülleimer fand. Dann stellte sie Kehrschaufel und Handbesen zurück an ihren Platz und folgte Georgie.
«Wann hast du es denn herausge–»
«Er hat mir immer erzählt, dass er
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