Die Rache-Agentur
für den Schrottplatz.
«Nein, das nicht.» Ihre Mutter klang etwas verlegen. «Ich mache einen kleinen Ausflug mit Lydia.»
«Mum, das ist ja großartig!» Flick war begeistert. Ihre Mutter gönnte sich so selten Urlaub. Bei ihrer lächerlichen Rente war sie immer knapp bei Kasse, und ihr letzter Ausflug, an den sich Flick erinnern konnte, waren zwei Nächte in Woolacombe gewesen, die sie vor ein paar Jahren dort verbracht hatten. Natürlich war das Flicks persönliche Horrorvorstellung von einem Urlaubstrip. Wenn man wegfuhr, dann doch nur, um mit Sonnencreme eingeschmiert auf einem Liegestuhl zu liegen und einen dicken Frauenroman in den Händen zu halten, der auch dem Gehirn eine Auszeit gönnte. Doch ihre Mutter hatte mit Wonne Eis gefuttert, im nassen Sand gesessen und dergleichen mehr. Und als sie mit
fish and chips
am Strand saßen, hatte dann auch Flick ein Gefühl der Nostalgie erfasst.
«Wohin fahrt ihr beide? An irgendeinen verwunschenen Ort die M4 hinunter?»
«Nach Malaga.»
«Was?» Flick setzte sich ruckartig auf. «Du in einem Flugzeug? Was ist denn bitte mit der CO 2 -Bilanz, Mum?», neckte sie ihre Mutter. «Denk doch nur an die Umwelt! Und dabei hast du all die Jahre so viel Gutes bewirkt, indem du deine Joghurtbecher recycelt hast. Und jetzt ist alles zunichtegemacht!»
Doch ihre Mutter hatte die Ironie nicht wahrgenommen. «Na ja, ich habe es mir genau ausgerechnet», erwiderte sie ernst. «Ich habe ermittelt, wie hoch die Emission wäre, wenn wir irgendwohin fahren, und das mit dem Kurzflug verglichen. Und unsere Flüge waren sehr preiswert. Außerdem gehört Lydias Schwester eine kleine Wohnung, in der wir kostenlos übernachten können …» Sie verstummte.
«Mum, ich bin begeistert. Möchtest du, dass ich dich zum Flughafen bringe?»
Die Stimme ihrer Mutter klang kleinlaut und piepsig, als sie mit ihrem Gewissen kämpfte. «Würdest du das machen?»
Sie verabredeten sich für Freitagabend – und Flick legte lächelnd auf. So änderten sich die Zeiten. Sie nahm einen Stapel Unterlagen zur Hand, stellte das Weinglas auf der Anrichte in der Küche ab und wollte schon das Licht über ihrem Rechner ausknipsen, als sie innehielt. Die Fotos, die sie von Ben Houghton im Hotel gemacht hatte, lagen ganz oben auf einem Chaos von Rechnungen und Papieren und warteten darauf, am nächsten Tag an Alison Houghton übergeben zu werden. Bens Gestalt füllte das ganze Bild. Er stand mit leicht gespreizten Beinen da und hielt in der Lobby des Hotels Ausschau nach seiner – ja, nach was? Nach seiner Geliebten, seiner Mätresse? Seine Statur strahlte ein fast unverschämtes Selbstbewusstsein aus. Anders als Ed oder John schlich er nicht herum und wartete auf seine verbotene Affäre. Oder wie Jackson im Nachtclub, der erst mit reichlich Alkohol zu seinem Selbstbewusstsein fand. Vielleicht war das Bens Geheimnis.Gib dich selbstbewusst, und niemand wird glauben, dass du gerade deine Frau betrügst. Seitensprung mit Haltung.
Am darauffolgenden Abend parkte Flick wie verabredet um halb sieben vor Alison Houghtons Haus. Der Tag im Büro war lang gewesen. Georgie war ihrer Arbeit schweigsam und sehr geschäftsmäßig nachgegangen. Und Joannas Versuche, sie aufzuheitern, waren ihnen am frühen Nachmittag auf die Nerven gegangen. Doch Joanna konnte man wirklich nichts vorwerfen. In der Mittagspause hatte sie Cupcakes für alle besorgt, weil sie wusste, wie sehr Georgie die mochte. Georgie hatte jedoch nur ein schwaches Lächeln zustande gebracht, die Schokoladenglasur mit den Fingern abgepflückt und den Rest in Krümeln auf ihrem Schreibtisch hinterlassen.
Flick war heilfroh, als es endlich halb sechs war und sie fliehen konnte, doch am liebsten hätte sie in der Designerküche Mäuschen gespielt, wenn Georgie nach Hause kam. Was für eine Atmosphäre herrschte dort? Ganz offensichtlich hatte Georgie Ed nicht gesagt, dass sie alles wusste. Und Flick würde fast wetten, dass Georgie ihn davonkommen ließ, weil sie überzeugt war, dass sie selbst die Schuld an seiner Untreue trug. Dass Ed sie betrogen hatte, weil
sie
etwas nicht richtig gemacht hatte. Das war einfach typisch für sie.
Im Sonnenlicht des Sommerabends sah das Haus der Houghtons einfach zauberhaft aus. Vor dem makellosen weißen Außenputz stand eine Kletterrose in orangefarbener Blüte, und Flick fühlte einen Anflug von Neid. Wie ein Habenichts, der vor den Reichtümern der Wohlhabenden stand. Alison ließ sich Zeit, ihr die Tür zu öffnen
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