Die Rache-Agentur
geschlossenen Räumen vorbei bis zu der Tür mit der Nummer fünf. Sie klopfte an und ging hinein.
Die Ärztin sah auf und lächelte sie aufmunternd an. «Guten Tag, was kann ich für Sie tun?», fragte sie nett, und ihre Freundlichkeit überforderte Georgie fast ein bisschen. Sie musste sich zusammenreißen, um nicht auf dem Absatz kehrtzumachen und die Flucht zu ergreifen. Doch dann dachte sie an Libby. Libby, die sie neulich abends auf dem Sofa wach gerüttelt und empört in ihrem Bademantel vor ihr gestanden hatte, nachdem sie sich ihr Schaumbad selbst hatte einlassen müssen. Georgie war am Boden zerstört gewesen. Diese überwältigende Müdigkeit war einfach zu viel, und so begann sie zu sprechen.
«… und deswegen bin ich hier», schloss sie nach ein paarMinuten und atmete tief aus. Eigentlich hatte sie gar nicht so viel erzählen wollen. Du liebe Güte, sie hatte sogar über den Zustand ihrer Ehe gesprochen.
Die Ärztin nickte und legte die Fingerspitzen ihrer Hände aneinander. «Also gut, dann fangen wir mal mit dem Wichtigsten an. Es gibt eine Reihe von Ursachen – abgesehen von Stress –, die eine Müdigkeit hervorrufen können, wie Sie sie beschreiben. Ein paar Fragen muss ich Ihnen aber noch stellen. Sagen Sie mir bitte, wann Sie das letzte Mal Geschlechtsverkehr mit Ihrem Mann hatten? Ich frage mich nämlich … ob es möglich ist, dass Sie schwanger sind. Wann hatten Sie Ihre letzte Periode?»
Georgie blinzelte. Der Raum um sie herum war plötzlich schrecklich kalt geworden. «Das weiß ich nicht mehr», hörte sie sich flüstern. «Ich kann nicht schwanger sein.»
Die Ärztin sah sie freundlich an. «Meinten Sie, dass Sie nicht schwanger sein können? Oder meinten Sie, dass Sie es nicht wollen?»
Georgies Arme fühlten sich eiskalt an. «Ich weiß nicht. Ich denke, es ist eine Weile her.» Sie schüttelte den Kopf. «Ich habe meine Periode zwei Mal nicht bekommen, aber sie kam schon immer etwas unregelmäßig.»
«Also, falls tatsächlich die Möglichkeit besteht, dass Sie schwanger sind, können wir ganz leicht ein paar Tests durchführen. Wenn Ihre letzte Regel allerdings mehr als zehn Wochen zurückliegt, sollte ich die Größe Ihrer Gebärmutter mit der Hand spüren können, indem ich Ihren Unterleib abtaste. Ich messe auch gleich noch Ihren Blutdruck.»
Georgie stand verwirrt auf und folgte der Handbewegung der Ärztin zur schwarzen Behandlungsliege. In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Sie blieb vor der Liege stehen, während sich die Ärztin die Hände wusch. «Ziehen Sie bitte die Jeans aus, und legen Sie sich hin. Das müsste so gehen. Ich befürchte, meine Hände sind ein wenig kalt.»
Wie lange lag die Nacht zurück, in der sie nicht verhütet hatten? Es kam ihr vor, als wäre sie bereits eine Ewigkeit her. Ein komplett anderes Leben. Als sie noch verheiratet gewesen war und an die Zukunft geglaubt hatte.
Die Ärztin tastete sie vorsichtig ab. «Ich denke, wir nehmen lieber Blut ab. Ich gehe stark davon aus, dass Sie schwanger sind. Dreizehnte Woche, würde ich sagen. Die Müdigkeit hängt wahrscheinlich mit der hormonellen Veränderung zusammen, die Ihr Körper im Moment durchmacht. Das bessert sich in der Regel, wenn die Plazenta ihre Arbeit aufnimmt. Aber daran erinnern Sie sich bestimmt noch vom letzten Mal.» Als die Ärztin zurück zu ihrem Computer ging, blieb Georgie liegen und starrte an die Decke. Sie fühlte, wie sie zu zittern begann und ihr ein schrilles Lachen über die bebenden Lippen kam.
«Mrs Casey? Kommen Sie, setzen Sie sich zu mir. Das ist sicher eine ziemliche Überraschung für Sie. Wollen Sie einen Schluck Wasser?»
Wie immer riss sich Georgie zusammen und strich ihre Bluse glatt. Sie steckte sie nicht in die Jeans, sondern trug sie darüber, obwohl es noch nichts zu kaschieren gab. «Ich habe mir das so lange gewünscht», hörte sie sich laut sagen, ohne es zu wollen. «Aber jetzt …»
Die Ärztin sah von ihrer Tastatur auf. «Wie auch immer Sie sich entscheiden, wir sollten auf jeden Fall einen Bluttest machen. Hier.» Sie reichte ihr einen Umschlag mit einem bedruckten Etikett. «Ich überweise Sie außerdem zum Gynäkologen. Eine Ultraschalluntersuchung ist bereits fällig. Und, Mrs Casey, ich denke, Sie müssen mit Ihrem Mann sprechen.»
Georgie bemerkte, wie der Raum zum ersten Mal vor ihren Augen an Konturen gewann, und sie erwiderte den Blick der Ärztin. «Ja. Ja, das werde ich.»
Flick war sich nicht
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