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Die Rache der Engel

Die Rache der Engel

Titel: Die Rache der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Sierra
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Stelle eine Rakete eingeschlagen und hätte den außergewöhnlichen Krater mit dem exakt kreisförmigen Umriss verursacht.
    Dujok lächelte.
    » Ihr Mann ist dort«, stellte er selbstsicher fest.

60
    Nick Allen benötigte mehrere Jahre, um das Ereignis angemessen beschreiben zu können, das er an jenem Sommerabend 1999 in der Nähe des Ararat erlebt hatte. In seinem Bericht für die NSA konnte er nur darlegen, dass eine Art gigantischer Zylinder von der Größe eines sechsstöckigen Gebäudes vom Grund des Kraters aufgetaucht war, sich einige Male um sich selbst gedreht und anschließend wie schwerelos wenige Meter von dem spitzen Turm und der Männergruppe entfernt verharrt hatte.
    Im ersten Moment glaubte er angesichts des Sturms, den das Ding entfesselte, ein Flugzeug im Senkrechtstart vor sich zu haben. Aber in Wirklichkeit hatte es keinerlei Ähnlichkeit damit. Allens fehlten einfach die Begriffe dafür. Erst recht, als er es aus der Nähe sehen konnte und bemerkte, dass es offenbar aus einer Materie bestand, die nicht metallisch war. Dieser Zylinder– oder was zum Teufel es auch immer war– kam ihm jetzt vielmehr wie eine Art Nabelschnur vor, die aus wässerig-glitzernden Wänden bestand. Und als ob das nicht genügt hätte, sandte es eine Bandbreite akustischer und chromatischer Frequenzen aus, die die Sinne der Männer stark verwirrten.
    Zuerst erhielten ihre Sehnerven falsche Impulse: Die Umrisse der Yeziden-Guerilleros wirkten plötzlich gekrümmt, und die ihrer eigenen Gesichter lösten sich auf wie schmelzende Butter. ›Das stimmt alles nicht‹, sagte sich Allen immer wieder, um Ruhe zu bewahren. ›Nichts davon passiert wirklich. Das ist nur eine Halluzination.‹ Aber plötzlich trocknete sein Mund aus und die Zunge klebte ihm am Gaumen.
    Was das Hören betraf, so konnte er bloß das Echo der Sätze vernehmen, die ihre Bewacher sich zuriefen.
    » Hier ist Gottes Herrlichkeit!«, brüllte einer von ihnen.
    » Die Herrlichkeit!«, antworteten die übrigen Männer im Chor.
    Da versuchte Allen, sich flach auf den Boden zu werfen. Doch sein kräftiger Körper hatte jedes Gefühl für die Schwerkraft verloren. Der rotierende Zylinder schwebte inzwischen nur wenige Handbreit über seinem Kopf. Beim Aufsteigen hatte er Steine und Gestrüpp mit sich gerissen. Wenn er und Martin nichts unternahmen, würde er bald auch sie zermalmen.
    Da sah Allen einen der Kämpfer zusammensacken.
    Und Dujok wurde zu einer dünnen waagerechten Linie an einem fernen Punkt seines Gesichtsfelds.
    Doch während die Welt um ihn herum sich auflöste, begann der riesige Zylinder die Umgebung zu erhellen, als wäre es plötzlich wieder Tag geworden.
    Und aus irgendeinem geheimnisvollen Grund brachte Gottes Herrlichkeit sie nicht um.
    Im Gegenteil, plötzlich stellte Allen fest, dass Martin Faber das Ding mit merkwürdigen, so eindringlichen wie unverständlichen Worten beschwor. Worten, die der Wind davontrug, während das Ding Martin in sich hineinsaugte, ihn, Allen, jedoch liegen ließ, für seine Zwecke ohne jede Bedeutung.
    Seither hatte er Martin nicht wiedergesehen. Umso mehr drängte es ihn, jetzt, wo er wusste, dass Martin noch am Leben war und dass die Satelliten seiner Regierung ihn geortet hatten, mit ihm zu sprechen: Er musste unbedingt wissen, wie es ihm damals im Inneren des Ungetüms ergangen war.

61
    » Sind Sie sich sicher? Mein Mann ist dort? Jetzt, in diesem Augenblick?«
    Artemi Dujok ließ sich von meiner Verzweiflung nicht beeindrucken. Konzentriert betrachtete er weiter auf dem Laptop den unwirtlichen Erdboden im Nordosten der Türkei.
    » Ich muss Ihnen etwas sagen, Mrs Faber…«
    Dujoks Ankündigung klang feierlich.
    Einen Augenblick lang befürchtete ich das Schlimmste. Umso erleichterter war ich, als er endlich seine Botschaft vollendete.
    » Ich kenne diesen Ort. Ich bin vor Jahren schon einmal genau dort gewesen, zusammen mit Ihrem Mann.«
    » Wirklich?«
    » Ja«, flüsterte er mit einem kaum wahrnehmbaren Beben um die Lippen. » Ich bin dort zu seinem Scheich geworden. Zu seinem Meister. Wenn seine Entführer ihn an diesen Ort verschleppt haben, wissen sie mehr über diese Steine, als wir vermutet haben.«
    » Was heißt mehr?«
    » Sehr viel mehr«, erwiderte er trocken. » Machen Sie sich bereit. Es geht los.«

62
    In der Nähe von Noia, nur drei Seemeilen von der Bucht A Barquiña entfernt, die mit ihrem Namen– ›das kleine Schiff‹– an die legendäre Landung von Noahs Arche in der

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