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Die Rache der Engel

Die Rache der Engel

Titel: Die Rache der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Sierra
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STEREO A zeichneten noch etwas auf.
    So als wären es die langen und gekrümmten Finger eines kosmischen Nosferatu, schoss ein Magnetstrom von wenigstens 40 000 Kilometern Breite hinter der Protonenflut her. Wie der Schwanz einer Eidechse schwenkte er bald nach rechts, bald nach links, je nach Wirkung des Stroms, den seine Pole erzeugten. Zugleich rissen auf dem Stern kolossale Löcher auf, die fünf Mal größer als der Erddurchmesser waren, nur um sich gleich darauf wieder zu schließen:
    Sie sahen wie hungrige Münder aus, wie diabolische Schlünde, bereit, alles zu verschlingen.
    In acht Minuten würde diese gesamte Strahlung wie ein plötzlicher Hitzeschlag die Erde erreichen. Und doch wäre das nur eine Warnung vor dem, was noch folgen würde.
    Etwa 18 bis 36 Stunden später– wenn die Berechnungen zutrafen– würde es zu einem Plasmaregen kommen. Man stand vor dem größten koronalen Massenauswurf, der jemals aufgezeichnet worden war. Ein Auswurf der Klasse X 23 . Und seine Folgen waren nicht vorherzusehen.
    Genau in dem Moment, in dem STEREO B die Berechnung abschloss, wo es zu dem magnetischen Tsunami kommen würde, traf die Mail des Leiters des VLA ein: Dringend! Haben Sie in den letzten Stunden eine CME registriert?
    Doch im Goddard Space Flight Center war man mit etwas noch Dringlicherem beschäftigt: Man hatte bereits die Koordinaten für den Plasmaaufprall berechnet.
    Und nun mussten umgehend die türkischen Behörden alarmiert werden.

87
    Meine ersten Schritte in dem Gebäude waren eher zögerlich.
    Dafür hatte ich auch allen Grund. Es gab kein elektrisches Licht, der Fußboden war mit Trümmern übersät und meine Beine zitterten vor Angst. Ich konnte einfach nicht begreifen, warum Artemi Dujok– Martins Freund und zugleich der Mann, der sein Leben riskiert hatte, um mich zu beschützen und hierher zu bringen– mich plötzlich mit seiner Waffe bedrohte und dabei anblickte, als wäre ich sein schlimmster Feind.
    Ellen Watson, die neben mir ging, wirkte auch verwirrt. Ihr klebte Haci auf den Fersen, der die Mündung seines automatischen Gewehres in ihre Nierengegend bohrte und sie nötigte, seinem Anführer ohne zu protestieren zu gehorchen. Aber so absurd es auch wirkte, für den Armenier musste das Ganze Sinn haben. Dujok war kein Fanatiker. Zumindest war er mir niemals so vorgekommen. Ich war geneigt, sein Verhalten irgendwie zu entschuldigen. Ich klammerte mich an die Beobachtung, dass sein Gesicht keinerlei Anspannung zeigte, sondern im Gegenteil Euphorie ausstrahlte. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er uns etwas Böses antun würde.
    Schweigend geleitete der Armenier uns durch das Labyrinth von Gängen, Treppen und Räumen, das sich vor uns auftat, bis wir zu einem Zimmer im Untergeschoss gelangten, das– offenbar als einziges– einen Stromanschluss besaß. Am Anfang tat mir das Licht in den Augen weh. Ich hob die Hände, um sie vor der Glühbirne zu schützen, die von der Decke hing, und hielt sie ein paar Sekunden vor meine Augen. Doch dann verpasste Haci mir mit seiner Waffe grob einen Hieb in den Rücken.
    » Iu-lia Al-vrez!«, blaffte er mich an.
    Da öffnete ich die Augen.
    Der Anblick war gleichermaßen überwältigend und unerwartet. Denn obwohl ich denkbar weit von meiner vertrauten Umgebung entfernt war, erkannte ich den Raum vor mir sofort wieder.
    Ellen auch.
    Ich drehte mich um, um Dujok eine Erklärung abzuverlangen, aber dieser forderte mich mit bedrohlicher Miene auf, wieder geradeaus zu blicken.
    » Sie werden noch viel mehr zu sehen bekommen«, murmelte er.
    Ich war mir jedenfalls völlig sicher: Die schmutzigen Wände, von denen der Putz abbröckelte, die Schriftzüge auf den Gipsresten, die noch nicht abgefallen waren, der wacklige Tisch und sogar die armselige Glühbirne, die über uns baumelte, das alles waren genau die Details, die der Filmclip von Martins Entführung zeigte. Er war hier aufgenommen worden! In diesem Raum, der keine 15 Quadratmeter groß war.
    Tausend Fragen schossen durch meinen Kopf.
    » Na, na, na … Endlich bist du da. Ich hasse es zu warten.«
    Eine bekannte Stimme drang plötzlich aus dem Gang, durch den wir gerade in den Raum gekommen waren. Ich hatte sofort das Gefühl, dass ich angesprochen war. Die Männerstimme sprach Englisch mit einem astreinen britischen Akzent, und es klang, als wäre der Sprecher sehr zufrieden, uns hier anzutreffen. » Darling, wir alle haben deinen Besuch ungeduldig herbeigesehnt.«
    ›Darling?‹
    Eine

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