Die Rache der Engel
Eine Schwadron geflügelter Engel? Aliens auf einer fliegenden Untertasse?«
Daniel bat sie mit einer Handbewegung, sich zu beruhigen.
» Nein, Agentin Watson. Darum geht es doch gar nicht. Anders als die Leute denken, haben wir Engel keine Flügel. Das steht doch schon in der Bibel, wissen Sie? Abraham, Tobias oder Jakob beispielsweise haben uns von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden, und sie beschrieben uns als das, was wir wirklich sind: Männer und Frauen von einem fernen Ort, die mit einer etwas wacheren Psyche ausgestattet sind als die Menschen. Wir haben eine andere Sensibilität. Wir können uns auf jedes lebendige Wesen einstellen und verstehen es, ohne mit ihm zu sprechen oder es unter ein Mikroskop zu legen. Im Gegensatz zu euch können wir Teile des elektromagnetischen Spektrums hören und sehen…«
Ich schüttelte noch ungläubiger als zuvor den Kopf. Daniel schien das nicht zu beeindrucken.
» Julia, diese Psyche gestattet uns, Menschen wie dich zu bewundern«, sagte er. » Aus irgendeinem merkwürdigen Grund besitzt du eine Gabe, die wir verloren haben. Ein Gen, das dem Hauptstamm der Engel verloren ging, das aber seit der Vermischung mit der menschlichen DNA in eurem Genpool latent vorhanden ist. Dieses außergewöhnliche Gen verleiht euch die Fähigkeit, mit dem Transzendenten in Verbindung zu treten. Aufgrund des komplexen genetischen Mechanismus, der nur schwer zu verstehen ist, tritt es aber nur bei einem von einer Million Menschen auf.«
» Die Engel haben diese Fähigkeit verloren? Sie haben vergessen, wie Sie mit Gott sprechen können?« Ellens Tonfall wurde zunehmend ätzender.
» Ja, das ist schon vor vielen Generationen passiert. Aber zum Glück haben wir zuvor diese Fähigkeit weitergegeben, als die Gottessöhne Verbindungen mit den Menschentöchtern eingingen. Kommt Ihnen das bekannt vor? Deshalb können hin und wieder manche von euch«, fügte Daniel noch an, während er mich mit seinen blauen Augen fixierte, » diese Fähigkeit entfalten. Und deshalb suchen wir so sehnsüchtig nach diesen Menschen. Irgendwie stellen sie unsere einzige Hoffnung dar, um wieder mit unseren Ursprüngen in Verbindung zu treten.«
» Merkwürdige Geschichte«, meinte ich nur.
» Ich weiß«, stimmte Daniel zu. » Kannst du jetzt verstehen, warum Martin so begeistert war, als er dich fand, Julia? Er dachte, er hätte den Schlüssel gefunden, der uns die Pforte zum Himmel öffnen würde.«
» Aber wo ist Martin denn jetzt?«
Daniel blickte aus dem Augenwinkel zu Dujok. Der Armenier stand immer noch mit seiner Uzi neben mir und achtete auf jede Bewegung. Er schien ebenso auf die Antwort zu warten wie ich.
» Martin ist im Gebirge«, sagte Daniel schließlich. » Er bereitet sich gerade darauf vor, diese Anrufung zu tätigen… Er erwartet dich.«
88
Das Executive Office of the President of the United States ( EOP ), das US -Präsidialamt, ist eine Behörde, die oftmals unterschätzt wird. Mit Mitarbeitern ausgestattet, die das Vertrauen der höchsten Autorität der Nation genießen, ist es in verschiedene Abteilungen untergliedert, die den Präsidenten bei so unterschiedlichen Themen wie Umwelt, Staatshaushalt oder innere Sicherheit im Weißen Hauses auf dem Laufenden halten sollen. Selten erteilt das Staatsoberhaupt einem seiner Angestellten direkte Anweisungen, ohne seine Assistenten in Kenntnis zu setzen, und in solchen Fällen gesteht der Präsident der Person seiner Wahl eine hohe Ehre zu.
Tom Jenkins hat diese selten gewährte Gunst in den letzten eineinhalb Jahren bereits einige Male genießen dürfen. Er war einer der Wenigen, die die verschlüsselte Nummer des Privattelefons des Präsidenten kannten, und er besaß zudem die ausdrückliche Genehmigung, ihn zu jeder Tages- und Nachtzeit anrufen zu können. Nicht mehr als zehn Personen– darunter die First Lady, seine Tochter sowie Ellen Watson– erfreuten sich dieses Privilegs, und Tom bemühte sich, es nicht zu missbrauchen.
Kurz nach seinem Treffen mit Colonel Allen im Krankenhaus in Santiago de Compostela spielte Jenkins einen seiner Trümpfe aus, indem er Roger Castle anrief.
» Ich möchte Sie nicht mit kleinen Details der Mission belasten, Sir«, entschuldigte sich Jenkins, » aber jemand muss Druck auf die NSA ausüben, damit dieser Allen mit uns kooperiert.«
Roger Castle wurde von Toms Anruf auf dem Empfang für die europäischen Botschafter überrascht, der im Roten Salon des Amtssitzes ausgerichtet wurde. Der
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