Die Rache der Engel
Sie könnten mir zumindest verraten, wohin wir fliegen.«
» Ja, das kann ich.« Dujok lächelte und streckte eine Hand aus, um das Amulett an meinem Hals zu berühren. » Wir fliegen dorthin, wo für Sie beide alles begonnen hat.«
Mehr sagte der Armenier nicht, als ginge er davon aus, dass ich begriff, was er meinte. Aber das tat ich nicht.
» Martins letzter Satz in dem Film… Können Sie sich daran erinnern, Mrs Faber? ›La senda para el reencuentro siempre se te da visionada.‹«
Ich nickte und belächelte Dujoks unbeholfene Aussprache des spanischen Satzes. » Martin hat seine Botschaft an Sie gerichtet, deshalb hat er sie auf Spanisch formuliert. Verstehen Sie?«
» Nein…«
» Wo sind Sie sich begegnet? Wo haben Sie sich kennengelernt?«
» In Noia. Ich habe damals dort gelebt… Das ist ein Ort am Ende des Jakobsweges.«
» Und das hier ist das Wappen des Ortes, nicht wahr?«, stellte Dujok fest, während er über die Vorderseite meines Anhängers strich, die ein Schiff mit darüber fliegenden Vögeln zeigte. Das ist unser Ziel, Mrs Faber. Die Wiederbegegnung, ›el reencuentro‹, mit Ihrem Ehemann.«
40
Um Viertel vor sechs Uhr morgens lag der Sitzungsraum 603 B im sechsten Stockwerk des Bürogebäudes der amerikanischen Botschaft in Madrid im Dämmerlicht. Nikotinnebel schwebte vor dem Bild, das ein Sony Full- HD -Beamer an die Wand warf. Dies war der letzte Winkel in dem Gebäude, in dem noch ohne Angst vor Sanktionen geraucht werden durfte, doch das war, ehrlich gesagt, zu dem Zeitpunkt Rick Hales geringste Sorge. Der Geheimdienstattaché der Gesandtschaft hatte gerade ein Telefonat mit einem Agenten seiner Einheit hinter sich, dessen Operation nicht gerade erfolgreich verlaufen war.
Wie auch immer, Hale musste dieses Briefing abhalten.
» Das hier ist Julia Álvarez. Spanierin. Achtunddreißig Jahre alt. Seit Kurzem getrennt von Martin Faber, dem Mann, den die PKK vor ein paar Tagen im türkisch-armenischen Grenzgebiet entführt hat«, stellte er mit professoraler Attitüde die rothaarige und attraktive Frau auf einem Farbfoto vor, das mit einem Teleobjektiv geschossen worden war. » Die Bilder, die Sie gerade sehen, wurden gestern Nacht in Santiago de Compostela gemacht, im äußersten Nordwesten der Iberischen Halbinsel.«
Der Attaché sprach mit einem Südstaatenakzent, fast wie ein Country-Sänger. Mit seinen herabhängenden Mundwinkeln sah er unzufrieden aus. Und das war er auch. Denn diesem kleinen glatzköpfigen Mann mit dem misstrauischen Blick dürfte dieses Treffen zu früher Morgenstunde mit zwei soeben aus Washington eingetroffenen Bürokraten nicht gerade behagt haben. Und erst recht nicht, da die Sitzung inmitten einer anderen heiklen Geheimdienstoperation einberufen wurde.
» Gestern Nacht«, führte er weiter aus, » sprach Colonel Allen mit Mrs Faber, um sie über die Entführung ihres Ehemannes in Kenntnis zu setzen. Gemäß den Richtlinien im Falle eines Verrats von Staatsgeheimnissen wollten wir jede Spur in Martin Fabers Privatleben verfolgen.«
» Lassen Sie uns über die Verdachtsmomente sprechen, Mr Hale. Hatten Sie Anlass, Ihrem ehemaligen Agenten an der armenischen Grenze zu misstrauen?«
Diese Frage kam von Tom Jenkins, dem Berater des Präsidenten. Es war sonderbar, dass so ein Mann sich mit Feldarbeit befasste, aber er war vor kaum einer halben Stunde mit der ausdrücklichen Order in Madrid eingetroffen, sich über den Fall Faber informieren zu lassen, und er hatte ohne jede Verzögerung die Botschaft aufgesucht und dieses Treffen angeordnet.
» Sie sollten wissen, Mr Jenkins, dass Faber seit 2001 nicht mehr für uns arbeitet«, entschuldigte sich der Attaché.
» Genauer gesagt, er arbeitet seit 2001 nicht mehr für die NSA «, stellte Jenkins klar.
Hale schluckte die Kröte, was Jenkins, ein etwa 30 -jähriger Mann– blond wie ein Mormonenpriester und mit eiskalten blauen Augen–, nutzte, um ein weiteres Thema anzusprechen:
» Sehen Sie, Mr Hale. Als wir im Präsidentenbüro das Dossier des Agenten Faber überprüften, ist uns etwas Sonderbares aufgefallen. Sobald er seine Mission im Kurdengebiet zwischen Armenien und der Türkei angenommen hat, bat Martin Faber den CIA um verschiedene vertrauliche Berichte.«
» Was für Berichte?«
» Um Bilder, um genau zu sein.«
Richard Hale zuckte mit den Schultern.
» Ich bin ganz Ohr.«
» Ich helfe Ihnen, auf den Kern des Problems zu kommen: Kurz bevor er bei der NSA kündigte, bat Faber darum, ihm
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