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Die Rache der Flußgoetter

Die Rache der Flußgoetter

Titel: Die Rache der Flußgoetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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erfreulicher.
    »Kann ich dir helfen, Herr?«
    »Ich bin der Ädile Metellus und muß die Leiche eines Sklaven sehen, die wahrscheinlich in den letzten zwei Stunden angeliefert wurde.«
    »Das waren eine ganze Menge, bei der üblichen Todesrate plus dem Einsturz der Insula gestern.«
    »Er war ein großer Bursche mit schwarzem Bart, der vom Aeskulap-Tempel auf der Tiber-Insel hergebracht wurde.«
    »Wahrscheinlich ist er noch warm«, fügte Hermes hilfreich hinzu, wobei seine Stimme merkwürdig klang, weil er sich die Nase zuhielt.
    Der Aufseher kratzte seinen kahlrasierten, mißgeformten Kopf. »Die Lieferung in dem Viertel übernimmt normalerweise Vulpus. Sein Karren war vor kurzem noch hier. Da drüben, glaube ich -« Wir folgten ihm am Rand des Kraters entlang zu den nördlichen Quadranten der Ausschach-tung. In der Grube bot sich uns ein noch gräßlicheres Bild dar; Leichen und Leichenteile in diversen Stadien der Aufdunsung und Verwesung. Einige waren vertrocknet wie ägyptische Mumien, andere aufgedunsen wie Schweineblasen, während wieder andere, erst kürzlich Verstorbene, aussahen, als könnten sie sich jeden Moment erheben und die Grube aus eigener Kraft verlassen. Die Gebeine toter Pferde ragten in den Himmel wie Schiffsmasten in einem Hafen.
    Was das Ganze noch grausamer machte, wenn das überhaupt möglich war, war die Tatsache, daß das Gewicht der intakten Leichen von oben auf die halbflüssige Masse aus verwesendem Fleisch und Ätzkalk darunter drückte, so daß eine ekelerregende Verwesungspampe an die Oberfläche blubberte. Die Mischung aus schleimiger Flüssigkeit, erkennbaren menschlichen Einzelteilen und Fellstücken sah aus wie die Ursuppe, aus der alles Leben entstanden war.

    Feiner, pulvriger Kalk hing in der Luft, so daß wir permanent husten mußten und kaum in der Lage waren, durch den Mund zu atmen. Wir konnten dem gräßlichen Gestank also nicht entgehen. »Ist es immer so schlimm?« fragte ich, nur um irgend etwas zu sagen. Mein Verstand war vor Ekel ganz benebelt.
    »Das ist ganz normal. Nach einer Weile fällt es einem gar nicht mehr auf. Du hättest direkt nach Pompeius' Bestattungsspielen herkommen sollen. Da hatten wir Elefanten in den Gruben.«
    Hermes und ich machten einen unwillkürlichen Satz, als die relative Stille der häßlichen Szenerie jäh gestört wurde. Zuerst spürte ich ein leises Grollen, das seinen Ursprung unter unseren Füßen zu haben schien. Dann hörte man ein Tosen wie von einem kräftigen, unterirdischen Wind, bis sich mit einem Mal etwa hundert Schritte entfernt eine Spalte in der Erde auftat und eine Wolke aus Dreck und Kalkstaub gen Himmel schoß. »Die Dämonen fliehen die Unterwelt!« rief ich, ob der infernalischen Umgebung mit den Nerven schon ziemlich am Ende.
    »Das ist bloß Gas, das aus einer alten Grube entweicht«, versicherte mir der Aufseher, während der Gestank aus der Erdspalte alles in den Schatten stellte, was wir bisher gerochen hatten. »Die furzen noch jahrelang vor sich hin. Du mußt sie gar nicht beachten.«

    Er rief eine kleine Gruppe von Grubensklaven zu sich und redete eine Weile in jenem verkürzten und vereinfachten Latein auf sie ein, das die Ärmsten der römischen Armen sprachen. Es klang ein wenig so wie die Laute, mit denen Hunde sich verständigen, und ist für die meisten von uns eine Fremdsprache. Vier der Sklaven stiegen in die Grube, während der Aufseher wieder zu uns kam.
    »Sie glauben, daß sie noch an die Leichen von Vulpus' letzter Ladung heran kommen. Sie werden deinen Mann wieder rausziehen. Aber natürlich«, er grinste verschlagen, »erwarten sie eine kleine Belohnung.«
    »Hermes, eine Sesterze für jeden der Männer und einen Denar für unseren Freund hier.« Hermes kramte die Münzen aus meiner rapide schrumpfenden Börse und schnalzte ob meiner Extravaganz mißbilligend mit der Zunge. Ich persönlich hielt die Belohnung nicht für allzu opulent. Mich hätte man nicht für die gesamte Beute aus der Plünderung von Tigranocerta in diese Grube bekommen.
    Wenig später kehrten die Männer mit einer schlaffen Leiche zurück, die so frisch war, daß die Leichenstarre noch nicht eingesetzt hatte. Selbst im schwächer werdenden Licht erkannte ich, daß sie den richtigen Mann gefunden hatten. Sie legten den kräftigen Körper vor unsere Füße, und ich kniete mich neben ihn. Er war leicht mit Kalk bestäubt, so daß er aussah wie eine Statue aus minderwertigem weißem Marmor. Direkt unterhalb seines Brustbeins

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