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Die Rache der Flußgoetter

Die Rache der Flußgoetter

Titel: Die Rache der Flußgoetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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entsetzt.
    »So schlimm ist es nun auch wieder nicht«, versicherte ich ihm. »Halt dir einfach die Nase zu.«
    »Aber der Weg ist so weit!«
    Damit hatte er zweifelsohne recht. Um vom Fluß zur Porta Esquilina zu gelangen, mußten wir die gesamte Breite der Stadt durchqueren. Innerhalb der Stadtmauern waren Bestattungen verboten. Die sterblichen Überreste der oberen Zehntausend wurden verbrannt und ihre Asche schicklich in einer der Grabstätten beigesetzt, die die Ausfallstraßen säumten. Für den Rest, Arme, niederste Sklaven, Ausländer, die keine anderen Vorkehrungen getroffen hatten, tote Tiere und was sonst einer Vergeudung von Feuerholz im Rahmen einer Kremation für unwürdig erachtet wurde, gab es eine feine alte römische Tradition mit dem wohlklingenden Namen›die Stinkenden Gruben‹.
    In diesen Gruben wurden die Leichen in ausgeschachtete Massengräber geworfen und mit Ätzkalk bestreut, der den Verwesungsprozeß beschleunigen sollte. An einem heißen Sommertag war der Gestank, der bei ungünstigem Wind über die Stadt wehen konnte, atemberaubend. Diese archaische Praxis war eine Schande für Rom, und jeder Römer schuldet jenem Maecenas Dank, der das Grundstück vor ein paar Jahren gekauft, die Gruben mit zahllosen Tonnen Humus bedeckt und die ganze Anlage in einen wunderschönen öffentlichen Park verwandelt hat. Jedesmal wenn ich dort flaniere, preise ich seinen Namen, auch wenn er einer der engsten Freunde des Ersten Bürgers ist.

    Die Sonne stand schon tief am Himmel, als wir die Porta Esquilina durchquerten. Zu unserer Rechten lag die Necropolis mit den bescheidenen Grabmälern der ärmeren Leute, die hauptsächlich von den zahlreichen römischen Bestattungsvereinen errichtet und gepflegt wurden. Die meisten freien Arbeiter und viele Sklaven waren Mitglied solcher Gesellschaften. Sie alle zahlten jährlich einen kleinen Beitrag in einen allgemeinen Fonds, aus dem die Errichtung des Grabmals und die Verpflichtung professioneller Klageweiber bezahlt wurde. Und wenn ein Mitglied starb, kamen alle anderen zu seiner Bestattung, so daß selbst ein armer Mann sich eine anständige Beerdigung leisten konnte.
    Doch nicht jeder konnte sich so glücklich schätzen. Bald hatten wir die Necropolis hinter uns gelassen und die letzte Ruhestätte der anderen erreicht, obwohl von Ruhe dort eigentlich nicht die Rede sein konnte. Hier lagen die Leichen von Menschen, die gesellschaftlich weit unter mir standen, dazu Tierkadaver jeder Art, darunter tote Pferde, Tiere, die wegen einer Krankheit für ungenießbar erklärt worden waren, Tiere, die geopfert worden waren und deren Leber oder andere Organe böse Omen offenbarthatten, in die Jahre gekommene Arbeitsochsen, die zu zäh und sehnig zum Verzehr waren, und Hunde. Katzen gab es damals in Rom noch fast gar keine.
    Den Sklaven, die an diesem Ort schufteten, erging es nur unwesentlich besser als Charon in seiner Kloaken-Barke. Es war eine entschieden unappetitliche Arbeit, doch zur Entschädigung bekamen sie, was immer sie den Leichen abnehmen konnten.
    Dabei handelte es sich für gewöhnlich um die zerlumpten Klamotten der Toten, doch gelegentlich fanden sich auch Münzen oder sogar Juwelen in diversen Körperöffnungen. Und dann gab es natürlich noch den schwunghaften Handel mit verschiedenen Körperteilen, die vor allem von praktizierenden Magiern gekauft wurden.
    Einen dieser Sklaven, einen Lümmel mit trübem Blick und schwarzer Tunika, Arme und Beine mit unbeschreibbarem Dreck verschmiert, sprach ich an. Ich hielt gebührenden Abstand, als ich ihn fragte, wo die letzte Ladung Leichen aus der Stadt angeliefert worden war. Er wies mit seiner geschwärzten Kralle nordostwärts.
    »Die neuen Gruben liegen in dieser Richtung, Herr. Heute sind vielleicht so an die vierzig Karren entladen worden. Es sind bestimmt viele Arbeiter dort. Du kannst es gar nicht verfehlen.«
    Diese Voraussage erwies sich als unbestreitbar richtig.
    Offenbar meinte das Attribut »neu«, daß hier erst seit gut einem Jahr Leichen gesammelt wurden. Die Ausschachtung war ein kreisrunder Krater, der jeden Vulkan mit Stolz erfüllt hätte. Die Sklaven schaufelten Atzkalk auf die tägliche Ansammlung von Leichen, Zweibeiner und Vierbeiner. Als wir uns näherten, kam der Aufseher auf uns zugehumpelt. Man konnte ihn durch seinen relativen Mangel an Verschmutzung von den anderen unterscheiden. Doch mit seinem seltsam deformierten Kopf und seinem Klumpfuß war sein Anblick keineswegs

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