Die Rache der Flußgoetter
Mein diesbezüglicher Geschmack war zugegebenermaßen ein wenig seltsam. Ich hatte auch Catilina gemocht, und ich halte das nicht einmal für ein Fehlurteil. Die schlimmsten Männer sind häufig die nettesten, während dieAufrichtigen und Unbestechlichen auch die Widerwärtigsten sein können.
Marcus Antonius und Cato waren zwei exzellente Beispiele für diese Theorie.
»So viel zu den Spielen«, meinte Vater schließlich. »Sie sollen gefeiert werden, und sie sollen ein Erfolg werden. Wie ich höre, hast du zwei wertvolle Tage damit vertan, den Einsturz einer einzigen, schlampig gebauten Insula , zu untersuchen, mein Junge.«
»Dein Junge«, informierte ich ihn sarkastisch, »hat den Vormittag in einer Kloake und den Abend in einer Leichengrube verbracht, Aktivitäten, denen ich, wie selbst du zugeben mußt, an normalen Tagen nur äußerst selten fröne. Mein Amt jedoch verlangt es von mir.«
»Dein Amt umfaßt die gesamte Stadt«, sagte Vater, »nicht bloß die Verfolgung eines einzelnen betrügerischen Bauunternehmers. Setze einen Klienten oder Freigelassenen auf die Sache an und kümmere dich um deine Arbeit!«
»Ich verfolge auch keinen einzelnen Bauunternehmer«, erwiderte ich, bemüht, mein Temperament zu zügeln. »Ich untersuche etwas, das aussieht wie eine Bestechungsaffäre, die die gesamte Bauwirtschaft Roms untergräbt. « Ich wollte vor einem Fremden nicht offen mit ihm streiten, doch er hatte das Thema angeschnitten, was außergewöhnlich taktlos von ihm war. Ich entschied, daß er nun langsam alt wurde.
»Der Erbauer dieser Insula war der verstorbene Lucius Folius«, sagte Valerius Messala. »Das weiß ich, weil er seine Lizenz und seine Verträge während meines Censorats erhalten hat. Offenbar wurde er durch seine eigene Gier in den Tod gerissen wie eine Figur aus einer griechischen Tragödie. «
Ich hatte etwas in der Richtung erwartet. Den ermordeten Sklaven erwähnte ich vorsichtshalber erst gar nicht. »Manchmal lassen uns die Götter Gerechtigkeit widerfahren. Aber kein Bauunternehmer baut nur ein einziges Haus.« Ich dachte an den Stapel von Archiv-Unterlagen in meinem Arbeitszimmer und entschied, daß ich ihn diesen Dreien gegenüber besser nicht erwähnte. Aber wahrscheinlich wußte Messala bereits davon.
»Ist sich irgend jemand außer mir und den Fährleuten der Tatsache bewußt, daß Rom unmittelbar vor einer Flutkatastrophe steht?« sagte ich, um das Thema zu wechseln.
»Ich habe entsprechende Gerüchte gehört«, sagte mein Vater. »Es passiert alle paar Jahre, und man kann nicht viel dagegen tun.«
»In diesem Jahr wird es schlimmer als sonst«, informierte ich sie, »weil sämtliche Abflüsse verstopft sind und damit nutzlos sein werden. Sie sind seit Jahren nicht gereinigt worden, so daß das Wasser in den tiefergelegenen Stadtteilen monatelang stehen könnte, und dann kriegen wir neben allem anderen auch noch die Pest an den Hals.« Als ich das sagte, sah ichMessala an, der meinen Blick nichtssagend erwiderte.
»Bloß keine Panikmache. Selbst wenn es eine Zeitlang Beeinträchtigungen geben sollte, ist das doch noch keine Katastrophe«, widersprach Nepos. »Die Foren lassen sich leicht evakuieren. Die Tempel und Basiliken stehen sicher auf ihren Sockeln, und in den tiefergelegenen Vierteln wohnen nur die Armen. Spendier ihnen prachtvolle Spiele, wenn alles vorbei ist, und sie werden all ihre Sorgen vergessen. Darauf solltest du dich konzentrieren.«
Beim Tor vor meinem Haus gab es einen kleinen Aufruhr, doch ich ignorierte ihn. Zweifelsohne irgendein Bittsteller, dachte ich. Der Mangel an Privatsphäre, den ein Ädile ertragen mußte, war nicht so extrem wie bei einem Volkstribun. Wir durften wenigstens unsere Türen schließen. Aber bei einem Amt, das das öffentliche Wohl betraf, war die Öffentlichkeit alles andere als schüchtern, ihre Bedürfnisse zu artikulieren.
»Es wird spät«, sagte Messala, »und wir wollen den Ädilen nicht aufhalten. Er hat Arbeit zu erledigen.«
»Richtig, richtig«, sagte Vater, wie aus einer mürrischen Träumerei erwacht. »Decius, es gibt etwas, was du wissen solltest, da es sowohl die Familie als auch deine Amtszeit betrifft.«
Endlich kamen sie zur Sache. »Ich muß gestehen, daß mich die Anwesenheit einer so erlesenen Gesellschaft überrascht hat.
Niemand Geringeres als zwei ehemalige Censoren und ein Pontifex. Darf ich annehmen, daß unsere Zusammenkunft etwas damit zu tun hat, daß unsere Familie beginnt, sich für Pompeius
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