Die Rache der Flußgoetter
Hochwasser gesehen, die ganze Gebäude aus ihren Fundamenten gerissen haben. Ich glaube nicht, daß es diesmal so schlimm kommt. Vielleicht wird das Wasser einfach wieder abfließen, und wir müssen nur ein bißchen aufwischen und abschöpfen.«
»Diese Flut hat den tiefer gelegenen Teil Roms in einen einzigen riesigen Nachttopf verwandelt«, erklärte ich ihm. »Und das Wasser wird dort stehen bleiben, bis Helios es getrocknet hat.«
»Ist das wahr? Nun, mein Haus liegt weit weg von all dem auf der Kuppe des Quirinal.«
»Lepidus, römische Bürgertugend wie deine hat Rom zur größten Macht der Erde werden lassen.«
»Da kommt Cato«, meinte er, ohne auf meine Bemerkung einzugehen.
»Das könnte ulkig werden. Was der hier wohl will?«
»Er ist gekommen, um sich mit mir zu beraten«, informierte ich ihn. Wieder starrte er mich mit großen runden Augen voller Erstaunen an. »Cato berät sich mit dir? Heute ist wahrhaftig ein Tag der Wunder! Möge es kein böses Omen sein!« Er begleitete die alte Floskel gegen das Böse mit einer komplizierten traditionellen Geste, die seine Handlanger mit weiterem Gelächter quittierten.
Cato war tatsächlich eingetroffen, und er war nicht allein. Er hatte mindestens zwanzig Männer bei sich, die meisten von ihnen junge equites oder jüngere Senatoren. Ich erkannte nur wenige vom Sehen wieder, weil sie nicht zu der von mir frequentierten Szene gehörten. Es waren allesamt Männer mit ernsten Mienen und Stoppelfrisuren oder kahlgeschorenen Häuptern. Verehrer der Vorfahren bis auf den letzten Mann, dachte ich, Stoiker und Verteidiger alter römischer Tugend. Ihre mürrischen Gesichter waren von Narben, ihre Zahnreihen von Lücken geziert, ihre Fingerknöchel waren geschwollen oder gebrochen. Es waren Männer, die auf dem Marsfeld eifrig trainierten und sich auf den Straßen heftig prügelten. Vielleicht würde ich sie nicht zu meinen Abendgesellschaften einladen, aber an diesem Tag waren sie genau die Art Männer, die ich in meinem Rücken wissen wollte.
»Heil, Ädile!« rief Cato und drängte Lepidus aus dem Weg.
Lepidus und seine Lakaien trollten sich grinsend und an die Stirn tippend, um anzudeuten, wie sie Catos Geisteszustand einschätzten.»Diese Nachricht muß ich unbedingt gleich loswerden, Cato«, platzte ich heraus. »Sag mir, was du davon hältst.« In krassen Worten schilderte ich ihm den Zustand der Kloaken und erläuterte, wie ich ihren himmelschreienden Zustand zum Anlaß nehmen wollte, eine religiöse Kammer ein zuberufen.
»Ungeweihte Leichen in den Abwässerkanälen! Empörend!« brüllte Cato. »Kein Wunder, daß die Götter uns verlassen haben!« Dann fuhr er mit leiserer Stimme fort: »Du willst sie also des Frevels anklagen, wenn du sie wegen Bestechlichkeit nicht drankriegst. Das ist genial, Decius Caecilius.«
»Hin und wieder gelingt auch mir etwas«, erwiderte ich bescheiden.
»Was hältst du von diesem Brief?« Ich gab ihm meine Kopie, und er fing an zu murmeln, während er sich die Worte selbst vorlas. Nachdem er den Brief halb durchgelesen hatte, warf er ihn wütend zu Boden. »Du Schwachkopf! Haben dir deine Lehrer denn gar nichts über Stil und Komposition beigebracht?«
»Bedeutendere Männer als du haben meinen Prosastil schon sehr gelobt! « erwiderte ich gekränkt.
»Hier geht es auch nicht um ein triviales, schwatzhaftes Schreiben voller Klatsch und Politik! Dies ist ein Dokument, das an priesterliche Angelegenheiten rührt und an denpontifex maximus adressiert ist! Ich muß dir wohl einmal zeigen, wie man so etwas macht.« Er schlug mit seiner schwieligen Hand auf den Tisch, ein Geräusch wie der zufallende Deckel einer schweren Truhe. Cato trainierte fast täglich hart mit Schwert, Schild und Speer. »Hört zu!« herrschte er die Schreiber an.
»Schreibt das genauso auf, wie ich es diktiere, oder ich ziehe euch das Fell über die Ohren!« Sie sprangen wie angestochen auf, griffen sich frische Bögen, tauchten ihre Federn in Tinte und sahen ihn gebannt und voller bewundernder Aufmerksamkeit an. So benahmen sie sich mir gegenüber nie.
Mit träger, sonorer Stimme begann Cato, meinen Brief in das von ihm so verehrte alte Latein zu übersetzen. Er verwendete Formen, die schon in den Tagen von Numa Pompilius archaisch gewesen waren, und die rollenden Vokale und knarrenden Konsonanten klangen wie eine Schlachthymne.
Die vor dem Tempel versammelte Menschenmenge verstummte ob dieser Darbietung, sogar jene, die nicht wußten, worum es
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