Die Rache der Flußgoetter
Aufmerksamkeit in Anspruch.
Ich möchte, daß du morgen in der ersten Dämmerung mit einer Nachricht für Julia nach Hause läufst.«
»Ich bin sicher, sie macht sich schon Sorgen um dich.«
»Ja, das auch, aber dies ist wirklich dringend. Ich will, daß sie die Statue unverzüglich einpackt und aus der Stadt schafft. Sie soll einen Wagen mieten und sie zu unserem Landgut schicken. Dort werde ich sie verstecken müssen, bis Gras über die Sache gewachsen ist.«
»Verstecken?« fragte er. »Die Venus? Warum?«
»Weil sie eine Bestechungsgabe ist.«
»Und eine so prächtige noch dazu. Was sollst du denn dafür tun?«
»Nichts, du Idiot«, fuhr ich ihn an. »Ich habe in meinem ganzen Leben noch keine Schmiergelder angenommen!
Jedenfalls keine nennenswerten und für nichts Wichtiges.« Er stierte auf den Grund seines Bechers. »Der Wein muß meine Gedanken träge gemacht haben. Wovon redest du überhaupt?«
»Ich hätte es sofort erkennen müssen, aber diese Sache mit der Insula hat mich zu stark abgelenkt. Ich habe dir doch erklärt, wie ein Staatsamt funktioniert, Hermes: Solange ich im Amt bin, kann ich nicht bestraft oder vor Gericht angeklagt werden, richtig?«
»So viel habe ich begriffen.«
»Aber in dem Moment, in dem ich mein Amt niederlege, kann man Anklage gegen mich erheben. Das ist praktisch so üblich. Ein politischer Gegner, persönlicher Feind oder ehrgeiziger junger Anwalt klagt einen irgendeines Vergehens an, und man muß sich verteidigen.
Meistens lauten die Vorwürfe Bestechlichkeit oder Wucher, aber es kann praktisch alles sein.
Caesar hat zu Beginn seiner Karriere den alten Rubirius angeklagt. Für einen fünfundzwanzig Jahre zurück liegenden Mord!« Ich hielt ihm meinen Becher hin, und er goß ihn noch einmal voll. »Dabei kann die Anklage an den Haaren herbei gezogen sein. Es kommt nur darauf an, wie gerissen und hartnäckig die Anwälte sind. Beweise sind zweitrangig. Nun stell dir mal vor: Plötzlich bin ich im Besitz eines großen Meisterwerkes, einer Original-Venus von wem auch immer, ein Schatz, den ich mir selbst nie hätte leisten können, selbst wenn man Julias Mitgift hin zu nimmt. Wokommt das Ding her? Ich könnte wetten, von Messala oder Scaurus. Sie sind beide reich und waren Statthalter von Provinzen, wo man solche Gegenstände den Einheimischen abpressen kann.«
»Warum eine Statue?« wollte Hermes wissen. »Warum kein Geld?«
»Geld kann man leichter verstecken, seine Herkunft leichter erklären, weil es anonym ist. Aber du hast ja gesehen, was für ein Getue Julia und Fausta - nein, da warst du ja auf dem Dach, oder? Jedenfalls haben sie sich aufgeführt, als würden sie ein Gespann erstklassiger Rennpferde bewundern. Wer immer die Statue geschickt hat, wußte, daß wir sie allen Bekannten zeigen würden. Wenn die Flut nicht dazwischen gekommen wäre, hätte Julia schon jeden, der in Rom etwas zählt, zu einem großen Bankett eingeladen, damit er das Kunstwerk bestaunen kann!
Man wird mir vor werfen, daß ich mein Amt verkauft habe, und es wird glaubwürdig klingen. Ich weiß, daß ich Probleme bekommen würde, die Herkunft der Statue zu erklären.«
»Vielleicht sollten wir sie einfach zertrümmern und die Einzelteile verstecken «, schlug Hermes vor.
»Nein, das würde Julia mir nie vergeben. Außerdem ist sie viel zu wertvoll. Wir werden sie einfach auf unser Landgut schicken und sie in einer Hirtenhütte oder dergleichen verstecken.«
»Dann willst du sie also behalten?«
»Natürlich will ich sie behalten!« beschied ich dem Trottel.
»Meinst du, ich bin blöd? In zwei oder drei Jahren können wir sie rausholen und in dem Schrein aufstellen, den Julia bauen will. Bis dahin ist all das längst vergessen; es wird neue Skandale und Verbrechen geben, die die allgemeine Aufmerksamkeit in Beschlag nehmen. Es ist schließlich nicht unehrenhaft, eine Bestechungsgabe anzunehmen, die dem Absender nichts erkauft hat.«
»Steht das so im Gesetz?« fragte Hermes skeptisch.
»Ich glaube schon. Ich werde es nach schlagen. Und jetzt ab ins Bett. Beim ersten Morgengrauen möchte ich meine Schreibutensilien parat haben, weil ich einen Brief an Caesar schreiben muß. Und finde heraus, welcher der aedilischen Boten der beste Reiter ist.«
Er stand auf. »Wird erledigt. Du solltest auch ein wenig schlafen. Wenn der Tag morgen so lang und aufregend wird wie die letzten, brauchst du eine Pause.«
»Ich komme gleich nach«, erklärte ich ihm. Er nickte und verschwand im
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