Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition)
anstarrten, glaubte Richard, Mitgefühl und Bedauern zu lesen. Andere zeigten Schadenfreude und Erleichterung. Im vorderen Teil der Halle stand sein Bruder Henry bei einigen Fürsten. Er wich Richards Blick aus und schaute zu Boden. Feigling! Richard hob herausfordernd den Kopf. Eines Tages, das schwor er sich, würde er als König vor diese Männer treten.
Richard hatte die Treppenstufen, die zu dem Podest hinaufführten, fast erreicht, als er William de Thorigny ganz in der Nähe seines Vaters entdeckte. Nun musste er sich also auch noch vor diesem Kerl demütigen. Als hätte William seine Gedanken gelesen, huschte ein höhnisches Lächeln über sein Gesicht.
Oben auf dem Podest kniete Richard vor seinem Vater nieder und senkte den Kopf. »Ich bitte Euch, Vater, vor allen hier Versammelten dafür um Verzeihung, dass ich gegen Euch aufbegehrt und einen Krieg gegen Euch angezettelt habe«, sagte er laut und deutlich, obwohl ihm die Worte nur schwer über die Lippen kamen. »Meine Vergehen und mein Ungehorsam waren so schwerwiegend, dass ich meine Gunst, Euer Sohn zu sein, verwirkt habe. So bleibt mir nur, mich ganz Eurer Gnade zu überlassen.«
Für einige Momente füllte Schweigen die Halle, ehe der König schließlich antwortete: »Ja, deine Vergehen und dein Ungehorsam waren sehr schwerwiegend und haben mich tief getroffen. Dennoch verzeihe ich dir und erkenne dich wieder als meinen Sohn an.« Während Richard die rechte Hand des Königs, die dieser ihm – wie es der Brauch war – entgegenstreckte, küsste, um damit die Versöhnung zu besiegeln, dachte er, dass er so einfach wohl nicht davonkommen würde. Womit er Recht behalten sollte.
Nachdem die Adligen, auch dies gehörte zur Zeremonie, laut ihren Beifall gespendet hatten, erhob sich der König und bedeutete Richard, ihm durch eine Tür in der dunklen Holztäfelung zu folgen. Sie führte in einen kleinen, ebenfalls holzgetäfelten Raum, in dem während der Mahlzeiten normalerweise Speisen und Getränke bereitgestellt wurden. Kaum, dass die Tür hinter ihnen zugefallen war, wandte sich der König Richard zu und versetzte ihm eine schallende Ohrfeige. »Das ist für deine Aufsässigkeit, du verdammter Bengel«, knurrte er. »Du kannst mir glauben, dass ich dich am liebsten windelweich prügeln würde.«
Richard warf den Kopf in den Nacken. »Und Ihr könnt mir glauben, Vater, dass mir jeder andere für diese Beleidigung mit der Waffe Genugtuung leisten müsste.«
»Versuch es nur.« Der König lachte trocken auf. »Dabei würde ich dich genauso schlagen wie in der Schlacht.«
Richards Hand zuckte zu seinem Schwert. Er war versucht, es zu ziehen. Aber eine Bewegung an der Tür ließ ihn innehalten. William de Thorigny war ihnen nachgekommen. »Was wollt Ihr denn hier?«, herrschte er ihn an. »Mein Vater und ich haben miteinander zu reden. Verschwindet gefälligst.«
William beachtete ihn nicht, sondern verneigte sich vor dem König.
»Er ist auf meinen Wunsch hier«, sagte Henry knapp. »Benimm dich also ihm gegenüber höflich.«
Diese Ratte hatte es im Dienst seines Vaters wirklich weit gebracht. Plötzlich sah Richard, dass Williams Umhang an dessen rechter Körperseite seltsam leer herunterhing. »Ihr habt Euren Arm verloren«, sagte er überrascht. »Es würde mich freuen, wenn Euch einer meiner Männer diese Verletzung zugefügt hätte.«
»Halt den Mund!«, fuhr ihn sein Vater an.
Nur ein kurzes Flackern in Williams Augen verriet Richard, dass er ihn getroffen hatte. Denn gleich darauf verzogen sich dessen Lippen wieder zu einem spöttischen Lächeln.
»Teilt diesem Bengel mit, was ich für ihn entschieden habe«, forderte Henry William mit einer ungeduldigen Handbewegung auf.
»Ganz wie Ihr wünscht, Hoheit.« Wieder verneigte sich William vor ihm, ehe er sich Richard zuwandte. »Euer Ungehorsam und Eure Verstocktheit waren so groß, dass Euer Vater beschlossen hat zu prüfen, ob Eure Reue wirklich echt ist.« Williams Stimme klang fast sanft, während seine dunklen Augen funkelten.
Wie eine Katze, die mit einer Maus spielt , schoss es Richard durch den Kopf. Nun, im schlimmsten Fall wird mich mein Vater wohl in eine seiner Burgen einsperren.
» Einige Eurer Gefolgsleute verweigern dem König immer noch die Treue«, redete William weiter. »Ihr habt diese Männer aufgestachelt. Deshalb sollt Ihr sie – so lautet der Befehl Eures Vaters – auch wieder zur Vernunft bringen. Ihr werdet sie bekämpfen und sie im Namen des Königs einen
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