Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition)
und brachten Schüsseln voller Gemüse. William ließ sich in Butter und Safran geschmorte Karotten sowie Pilze, die mit Rotwein verfeinert waren, auf den Teller legen. Die Musikanten, die seitlich unterhalb des Podestes standen, griffen zu ihren Instrumenten. Heitere Flöten- und Harfentöne erklangen.
Aus den Augenwinkeln beobachtete William, dass sich ein dunkelhaariger, dicklicher Diener dem König näherte und ihm etwas ins Ohr flüsterte, woraufhin Henry nickte. William fasste nach einem kleinen Gerät neben seinem Teller, das wie eine Forke geformt war, und spießte etwas von dem Gemüse auf die Zinken. Er hatte sich dieses Ding von einem Schmied anfertigen lassen, und es erleichterte ihm das Essen ungemein. Aber er hasste es, das Gerät zu benutzen, denn es zeigte ihm und allen anderen an der Tafel, dass er ein Krüppel war. Zum Krüppel gemacht vom Mann dieses rothaarigen Weibstücks. Der Tochter Alines … Hass durchströmte ihn, setzte sich wie ein harter Klumpen in seinem Magen fest und verleidete ihm auf einmal die Speisen.
Die Musikanten beendeten ihr Lied. Durch den Rauch der vielen Honigkerzen, der wie ein goldener Nebel über den Tafeln hing, sah William den dicklichen Diener, der dem König vorhin ins Ohr geflüstert hatte, durch die Tür am anderen Ende der Halle treten. Er begleitete eine Frau, die in schwarze Gewänder gehüllt war. Allem Anschein nach eine Trauernde, die Henry aus irgendeinem Grund ihr Leid klagen wollte. William wappnete sich gegen eine langweilige Tirade. Aber wenigstens war die Frau wirklich hübsch. Sie hatte eine auffallend helle Haut. Ihr herzförmiges Gesicht mit den großen dunklen Augen und der Stupsnase wirkte auf den ersten Blick ein wenig naiv und kindlich. Ihr üppiger roter Mund war jedoch der einer reifen, erfahrenen Frau. Eine interessante Kombination … Unter ihrem weiten Mantel ließ sich ein schlanker Körper mit großen Brüsten erahnen.
Vor dem Podest kniete die Frau nieder und senkte den Kopf. Eine Strähne ihres schwarzen Haars glitt unter ihrem Schleier hervor und kringelte sich ihre Wange hinab, was sie plötzlich sehr jung und schutzlos wirken ließ.
»Die Witwe des Ritters Nicolas bittet um das Gehör des Königs«, vermeldete der Diener mit lauter Stimme. Wachsam beugte sich William vor, bereit, sofort einzugreifen, wenn ihm dies ratsam erscheinen sollte. Ja, dies versprach allerdings äußerst interessant zu werden …
»Handelt es sich bei diesem Nicolas nicht um jenen Mann, der sich an einer Verschwörung gegen mich beteiligt hat?«, fragend wandte sich Henry William zu. »Und das, obwohl meine Mutter und ich uns seiner Familie gegenüber als sehr großzügig erwiesen haben?«
»Ja, allerdings.« William seufzte.
»Ich bedauere den Verrat meines Gatten zutiefst und weiß, dass es dafür keine Entschuldigung geben kann.« Die Stimme der Witwe klang hell und zugleich ein bisschen rauchig. Ihre dunklen Augen waren bittend auf den König gerichtet. »Aber ich beteure Euch beim Leben meiner beiden Söhne, dass ich nichts davon wusste. Und meine beiden Jungen haben ohnehin keine Schuld auf sich geladen. Durch den Verlust des Gutes sind wir nun völlig mittellos …«
»Habt Ihr keine Verwandten, die Euch unterstützen können?« Henrys Stimme klang ungeduldig.
»Meine Eltern und mein Bruder haben in diesen schwierigen Zeiten selbst zu kämpfen.« Sie hob flehend ihre Hände. »Hoheit, ich bitte nicht für mich, sondern für meine beiden Jungen. Sie sind immerhin die Söhne eines Ritters …«
»Eines Ritters, der seine Ehre verwirkt hat«, versetzte Henry schroff.
»Ich möchte doch nur, dass sie eine gute Ausbildung erhalten, damit sie in der Welt ihren Weg machen können.« Sie ließ sich nicht einschüchtern. Hinter ihrer großäugigen Kindlichkeit verbarg sich also ein fester Wille. »Könnt Ihr nicht vielleicht den neuen Besitzer des Gutes dazu bewegen, mir einen Teil des Anwesens zu verpachten, bis meine Söhne alt genug sind, um als Knappen bei einem Edelmann zu dienen? Ich verspreche, dass er es nicht bereuen wird. Ich werde seine Großzügigkeit mit harter Arbeit vergelten …«
»Nun, wie Ihr wisst, habe ich das Gut wieder dem Baron de Thorigny übertragen.« Henry sah erst William, dann die Witwe an. »Es steht ihm frei, über seinen Besitz zu verfügen, wie es ihm beliebt. Wenn er einen Teil des Gutes an Euch verpachten will, habe ich nichts dagegen. Lehnt er es ab, hat er auch dafür meine Billigung.«
William lächelte. »Ich
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