Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition)
nach dem anderen unterwerfen.«
»Aber das kann ich unmöglich tun«, fuhr Richard auf. »Ich habe diesen Männern gegenüber eine Verpflichtung. Ich verliere meine Ehre, wenn ich gegen sie in den Krieg ziehe.« Dann begriff er, dass es genau das war, was sein Vater wollte. Bestimmt hat William meinem Vater diese Idee eingeflüstert , dachte er. Er sah seinen Vater an. »Macht mit mir, was Ihr wollt«, erklärte er fest. »Aber ich werde nicht zum Verräter an meinen Gefolgsleuten werden.«
»Es geht gar nicht darum, was mit dir geschehen wird, wenn du meinen Befehl verweigerst.« Die Finger des Königs strichen über die Verzierungen an seinem vergoldeten Schwertknauf. »Wichtig ist vielmehr, was dann mit deiner Mutter geschehen wird. Noch ist ihre Haft recht komfortabel. Sie verfügt über Dienerinnen, lebt in beheizten, lichten Räumen und erhält gute Nahrung. Aber auch sie hat mich hintergangen, und ich habe deshalb nicht die geringsten Gewissensbisse, sie in einen Kerker werfen zu lassen. In einem dunklen, kalten Verlies auf feuchtem Stroh dahinzuvegetieren wird ihrer Schönheit, fürchte ich, nicht sehr gut bekommen.« Sein Tonfall war gnadenlos und ließ nicht den geringsten Zweifel daran, dass er seine Androhung wahr machen würde.
Diese Idee stammt gewiss auch von William , schoss es Richard wieder durch den Kopf. Er hat genau gewusst, wo ich am meisten verwundbar bin.
» Nun, ich warte auf eine Antwort«, hörte er seinen Vater sagen.
Richard begriff endgültig, dass er in der Falle saß und keine Wahl hatte. William de Thorigny hatte ihn mattgesetzt.
*
Zärtlich betrachtete Adela ihre Tochter, die in ihrer Armbeuge schlief. Im Schein der Flammen wirkte sie mit ihren geschlossenen Augen, dem strubbeligen roten Haarflaum und dem leicht geöffneten kleinen Mund wie ein eben geschlüpfter Vogel. Ein getrockneter Milchtropfen hing an ihrem Kinn. Vorhin hatte sie sich zum ersten Mal an Adelas Brust satt getrunken. Meine Robin , dachte Adela. Ja, ihre Tochter war wirklich ein Geschenk des Schicksals. Ein kostbares Zeichen dafür, dass es trotz Francis’ und Nicolas’ Tod auch noch Hoffnung für sie gab.
Luce , überlegte Adela schläfrig, während sie mit ihrer freien Hand den kleinen Holzfisch in ihrer Manteltasche umschloss, wird seine kleine Schwester sicher sehr lieben . Sobald sie wieder einigermaßen bei Kräften war, würde sie mit ihrer Tochter in eine größere Stadt gehen und dort nach Arbeit suchen. Es musste ihr gelingen, für sich und Robin ein neues Leben aufzubauen und Luce zu sich zu holen. William de Thorigny sollte keine Macht mehr über sie besitzen.
Vorsichtig zog Adela die Decke ein wenig fester um sich und ihre Tochter. Ich werde alles tun, um dich zu beschützen , dachte sie noch. Dann schlief sie endgültig ein.
*
Sehr vorsichtig schob William de Thorigny das Fleischstück auf die Brotscheibe, die vor ihm auf dem vergoldeten Teller lag. Während der vergangenen Wochen und Monate hatte er seinen linken Arm eisern trainiert. Mittlerweile konnte er viele Handgriffe gut mit ihm ausführen. Doch wenn der Arm ihn schmerzte, so wie jetzt, weil er überanstrengt war, gehorchte er ihm manchmal nicht. William war sich nur zu bewusst, dass ihn etliche Männer an der Tafel des Königs aufmerksam beobachteten und sich köstlich amüsieren würden, wenn ihm das Fleisch vom Brot glitte. Aber nun endlich – William hätte beinahe erleichtert aufgeseufzt – befand es sich da, wo er es haben wollte. Genüsslich biss er in das Brot.
Am Nachmittag hatte er sich lange im Schwertkampf geübt. Auch mit anderen Waffen wusste er mittlerweile recht geschickt umzugehen. Trotzdem hätte er in einem ehrlichen Kampf gegen diesen Nicolas wohl schlechte Karten besessen. Völlig überrascht hatte der Kerl gewirkt, als er ihm plötzlich das Schwert in den Leib gerammt hatte. Ein Lächeln huschte über Williams Gesicht.
Immerhin ein Gutes hatte seine schwere Verletzung, denn so fühlte sich Henry in seiner Schuld. Andernfalls hätte es ihn wahrscheinlich viel mehr Mühe gekostet, den König davon zu überzeugen, dass dieser Nicolas an einer Verschwörung beteiligt war. So hatte ihm Henry recht schnell Glauben geschenkt. Ebenso schnell war er bereit gewesen, William das Gut zu übertragen, das die verdammte Sippe der Dienerin Aline seiner Familie weggenommen hatte.
Diener erschienen nun an der Tafel. Sie trugen die Platten mit den verschiedenen Fleischsorten ab, schenkten den Gästen Wein und Wasser nach
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