Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition)
kämpfen.
Welkes Laub bedeckte den Boden der Höhle. Sie war viel kleiner, als Adela sie in Erinnerung gehabt hatte. Aber doch so groß, dass ein Mensch darin stehen und einige Schritte hin und her gehen konnte. Caitlyn half Adela, das Laub beiseitezuschieben. Dann erklärte sie, sie wolle Brennmaterial und Decken holen und versprach ihr, dass sie bald zurückkehren würde.
Ein wenig Licht schimmerte noch durch die Zweige, nachdem Caitlyn sie von außen wieder in ihre ursprüngliche Position gebracht hatte. Obwohl Adela Nicolas’ Grab mit eigenen Augen gesehen hatte, konnte sie noch immer nicht richtig begreifen, dass er tot war. Wie kann ein Mensch nur so viel Hass empfinden und so grausam sein wie William de Thorigny? , fragte sie sich dumpf.
Die Wehen erfolgten inzwischen in immer kürzeren Abständen. Adela versuchte, tief und gleichmäßig zu atmen und, wenn nicht gerade eine Wehe sie überfiel, in der Höhle auf und ab zu gehen. Endlich kündigte ein Rascheln der Zweige an, dass Caitlyn zurückkam. Die Magd breitete einige Decken auf dem Boden aus und entzündete ein kleines Feuer. Darauf stellte sie einen Bronzetopf, den sie mit Schnee gefüllt hatte.
»Wirst du denn nicht auf dem Gut vermisst?«, fragte Adela sie vor Schmerzen stöhnend.
»Der Verwalter ist für einige Tage fortgeritten.« Caitlyn schüttelte den Kopf. »Und von den Bediensteten wird mich schon niemand verraten.«
Als die Wehen ganz dicht hintereinander kamen, hockte Adela sich auf die Decken und raffte ihre Röcke hoch. Sie atmete keuchend. Caitlyn kauerte sich hinter sie, um sie zu stützen. Wenn die Schmerzen zu stark wurden, verbiss sich Adela in ihren Mantel, um ihre Schreie zu dämpfen. Dann durchzuckte sie ein Schmerz, der so stark war, dass Adela glaubte, ihn nicht überleben zu können. Ein Instinkt hielt sie an, trotzdem weiter dagegen anzupressen. Etwas löste sich in ihr und Adela fühlte, wie das Kind aus ihr herausglitt.
»Caitlyn, die Nabelschnur«, flüsterte sie. Vorsichtig ließ die Magd sie auf den Rücken gleiten. Noch ganz benommen nahm Adela wahr, wie ein Messer im Feuerschein aufblitzte. Gleich darauf ertönte der durchdringende Schrei eines Neugeborenen. Sie fühlte mehr, als dass sie sah, wie Caitlyn ihr den Säugling in den Arm legte.
»Ihr habt ein gesundes Mädchen zur Welt gebracht«, hörte sie die Magd sagen. Mühsam öffnete Adela die Augen. Noch ganz blutverschmiert, die blau schimmernden Adern ganz dicht unter der Hautoberfläche, wirkte der Säugling sehr winzig und verletzlich. Seine Ärmchen ruderten durch die Luft. Eine Welle der Zuneigung für das hilflose Lebewesen an ihrer Seite erfasste Adela. Schützend zog sie es an sich.
»Ich will ihr nur rasch das Blut abwischen.« Caitlyn hatte einen Leinenlappen mit dem mittlerweile zu Wasser geschmolzenen Schnee angefeuchtet.
»Seht doch, Ihr habt einen Robin geboren«, sagte sie gleich darauf mit einem Lächeln. »Die Haare Eures Mädchens sind rot wie die Brust eines Rotkehlchens.«
»Robin«, flüsterte Adela und fuhr mit ihren Fingern behutsam über den feinen Flaum.
»Oh, und hier … Was ist das denn? Ich dachte erst, es sei auch Blut, aber es lässt sich nicht wegwischen.« Stirnrunzelnd betrachte die Magd einen kleinen dunklen Fleck auf der Brust des Säuglings.
An dieser Stelle hatte sich Francis’ Muttermal befunden. Zuerst fürchtete Adela, das Spiel von Licht und Schatten würde sie narren, und Caitlyn und sie hätten sich das Mal nur eingebildet. Doch als sie den Fleck berührte, fühlte sie ganz deutlich die Erhebung auf der Haut.
»Ich hoffe, dieses Mal ist kein schlechtes Omen«, murmelte die Magd.
»Nein«, flüsterte Adela. »Es ist das schönste Zeichen, das ich jemals gesehen habe.« Ein Teil von Francis , dachte sie, ist zu mir zurückgekehrt.
*
Schluck deinen Stolz hinunter! , sagte sich Richard Plantagenet, als er durch die Halle der Burg von Bayeux schritt. Ach verdammt, meine Halbschwester hat gut reden. Auf der Stirnseite befand sich ein Podest. Dort saß sein Vater auf einem vergoldeten, thronähnlichen Stuhl und blickte ihm mit unergründlicher Miene entgegen. Sie hatten natürlich, bevor Richard den Weg hierher angetreten hatte, Gesandte ausgetauscht. Deshalb wusste er: Sein Vater würde ihm vor den in der Halle versammelten Adligen verzeihen und ihn wieder in Gnaden als seinen Sohn annehmen. Trotzdem brannte die Niederlage in seiner Kehle.
In manchen Gesichtern, die ihn von den beiden Seiten der Halle
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