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Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition)

Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition)

Titel: Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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dann.
    »Nein, denn dank dieses unseligen Krieges fielen alle Besitzungen meiner Familie an einen Gefolgsmann des Königs«, erwiderte Simon ruhig.
    »Bei Gott …«
    Simon trank einen Schluck von dem warmen Würzwein und schmeckte den Aromen nach. »Das Schicksal hätte mir schlimmer mitspielen können«, sagte er schließlich, und er meinte es ehrlich. »Als ich im Heiligen Land nach meinem Vater gesucht habe, habe ich so viel Grausames gesehen. Berge von verwesenden, von Hunden, Schakalen und Raubvögeln halb aufgefressenen Leichen. Versklavte, verstümmelte und verkrüppelte Menschen … Ich bin frei, besitze all meine Glieder, meine Nase, Augen und Ohren und bin gesund … Wenn ich eine Familie hätte, würde ich vielleicht anders denken. Aber so … Ich wollte immer schon dichten und musizieren. Und ich benötige nicht viel zum Leben. Ein Pferd, ein Schwert, warme Kleidung und dann und wann einen guten Wein und gutes Essen …« Er zuckte die Schultern.
    »Du warst immer schon verrückt.« Hugh schüttelte lächelnd den Kopf.
    »Nun, einen guten Wein, gutes Essen und einen guten Freund hat mir das Schicksal heute ja schon beschert.« Simon prostete ihm zu.
    Leichte Schritte ertönten, und Kleider raschelten. Simon wandte den Kopf. Zwei Frauen hatten die Halle betreten. Die eine war Mitte dreißig und hatte ein freundliches, ein wenig matronenhaftes Gesicht: Lady Guinevra, Hughs Gattin. Eine durchaus kluge, aber in ihrer hausfraulichen Gesetztheit auch etwas langweilige Frau. Ihre Begleiterin war mindestens zehn Jahre jünger und – wie Simon fand – viel interessanter. Mit ihrem rosigen Gesicht und den großen blauen Augen wirkte sie beim ersten Hinsehen auf eine kindliche Weise hübsch. Doch ihr schön geschwungener Mund und das Lächeln, das sie ihm jetzt schenkte, nachdem sie ihn aufmerksam gemustert hatte, waren sehr weiblich.
    Er stand auf und verbeugte sich vor den beiden Damen. »Zwei Sonnen, die den tristen Wintertag erhellen«, sagte er galant.
    »Meine Gemahlin Guinevra kennst du ja schon.« Auch Hugh hatte sich erhoben. »Darf ich dir Lady Edith vorstellen – die Gattin Lord Faulkners und die Base meiner Frau? Edith, das ist mein Freund Simon de Bohun.«
    »Oh, Ihr spielt die Laute?« Lady Ediths Blick wanderte zu dem Instrument, das neben Simon auf dem Tisch lag. »Würdet Ihr uns vielleicht heute Abend einige Lieder darbieten? Das heißt, ich hoffe, dass Ihr uns so lange mit Eurer Gegenwart erfreuen werdet«, fügte sie hinzu.
    »Sicher wird Simon bis morgen bleiben«, mischte sich Hugh ein. »Aber ich weiß nicht, ob ihm der Sinn danach steht, vor uns zu musizieren.«
    Simon ahnte, dass der Freund befürchtete, er würde sich auf eine Stufe mit den umherziehenden Spielleuten gestellt fühlen. »Es wäre mir eine Ehre und ein Vergnügen, vor Euch zu singen«, erwiderte er rasch und verbeugte sich wieder vor den beiden Damen.
    *
    Am Abend kamen auch einige Adlige aus der nahen Umgebung zum Essen. Feine Leinentücher lagen auf der langen Tafel in der Halle. Darauf brannten Kerzen in vergoldeten und versilberten Leuchtern. Im Kamin prasselte ein großes Feuer, während vom Meer her ein stürmischer Wind ins Landesinnere wehte und an den geschlossenen Fensterläden rüttelte. Simon genoss die behagliche Atmosphäre und ließ sich die Speisen munden. Guinevra mochte keine besonders anregende Frau sein, dachte er, aber ihren Haushalt hatte sie im Griff. Denn der mit Rosmarin gewürzte Entenbraten und die mit Salbei geschmorten Forellen schmeckten vorzüglich. Und auch gegen das mit Wein und Honig verfeinerte Steckrübengemüse ließ sich nichts einwenden.
    Seine Tischnachbarin zur Linken war eine spröde alte Lady. Doch zu seiner Rechten saß ein alter Haudegen, der schon oft in der Normandie unterwegs gewesen war und den König nicht besonders mochte. Simon fand es amüsant, sich mit ihm auszutauschen. Edith saß ihm gegenüber. Sie trug ein blaues Seidenkleid, das die Farbe ihrer Augen betonte, und unter ihrem mit einer Goldstickerei verzierten Schleier fielen blonde Haarlocken hervor. Die Wärme und der Wein überhauchten ihre Wangen mit einer anziehenden Röte. Simon warf ihr dann und wann einen Blick zu, und während er mit dem alten, grimmigen Mann sprach, fühlte er, dass auch sie ihn ansah.
    Nachdem das Geflügel und der Fisch verzehrt worden waren, stand Simon auf und nahm seine Laute zur Hand. Er trug das Lied über die Melancholie eines Wintertages vor, das er nach seiner Ankunft ersonnen

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