Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition)
fast windstill.
Schließlich lichtete sich der Wald. Vor ihnen, am Rand einer steil abfallenden Kuppe, konnte Adela eine Ansammlung von Pferden und von Männern in Jagdkleidung sehen. Sie wichen zurück, als der Diener und sie näher kamen. Dicht bei der Kuppe, im Schutz einiger Büsche, lag ein Mann auf einer Decke. Er schien zu schlafen oder bewusstlos zu sein und hatte der Gruppe den Rücken zugewandt. Seine Schultern hoben und senkten sich leicht im Rhythmus seines Atems. Dies musste Richard sein. Ein junger Diener kniete bei ihm. Adela sprang von der Stute und eilte zu ihm. Ein neuer Flockenschauer fiel langsam und gleichmäßig vom Himmel. Weshalb sagt denn niemand etwas? , schoss es ihr durch den Kopf. Dann bemerkte sie, dass der Liegende dunkle Haare hatte. War Richard nicht rotblond? Oder narrte sie das trübe Licht?
Mit einer plötzlichen Beklommenheit registrierte sie, dass ein Grinsen über das Gesicht des jungen Dieners zu huschen schien. Seine Augen waren auf jemanden hinter Adela gerichtet. Kein Blut ist zu sehen , durchfuhr es Adela. Die Beine des Liegenden sind gar nicht verletzt. In der Stille hörte sie Schritte im Schnee knirschen. Dann bohrte sich etwas Schweres, Eisernes in ihre Schulter und zog sie herum. Ein Metallhaken, der an einem Armstumpf befestigt war. Adela wollte schreien, aber sie brachte keinen Ton über ihre Lippen.
Sie nahm noch wahr, dass William de Thorigny sie anlächelte und irgendetwas zu ihr sagte, das sie aber nicht verstand, und dass die anderen Männer einen Halbkreis um sie gebildet hatten und wie finstere Pfähle vor dem wolkenverhangenen Himmel aufragten. Dann verlor sie die Besinnung.
*
Es ist nicht wahr. Es ist einfach nicht wahr … Als Adela zu sich kam, hoffte sie, ein böser Traum hätte sie heimgesucht. Sie hörte jemanden wimmern. Es dauerte einige Augenblicke, bis sie begriff, dass sie es war, die diesen Laut ausgestoßen hatte. Stroh piekte in ihre Wange. Die kalte Luft roch feucht und modrig. Etwas Schweres und Hartes umschloss ihren rechten Fußknöchel. Sie zwang sich, die Augen zu öffnen.
Sie lag in einem Verlies. Graues Winterlicht fiel durch eine vergitterte Öffnung oben in einer Wand. Ihr rechter Knöchel steckte in einer Fußfessel, die durch eine schwere Kette mit einem Eisenring in der Wand verbunden war. Neben dem Strohhaufen befand sich ein Stapel schmutziger Decken auf dem steinernen Boden. Adela raffte die Decken um sich und kauerte sich auf das Stroh.
Wieder war sie William de Thorigny völlig ausgeliefert. Adela wünschte sich, tot zu sein. Robin! , durchfuhr es sie plötzlich. Was, wenn er auch ihre Tochter in seine Gewalt gebracht hatte? Ein Entsetzen und eine Angst, so stark, dass sie fast den Verstand verlor, erfassten sie.
»Nein! Nein …« Sie schrie wie von Sinnen und riss an der Fessel.
»Lass das sein. Was du tust, ist völlig unsinnig.«
Benommen hob Adela den Kopf. William de Thorigny war in das Verlies gekommen und musterte sie nachdenklich. »Steh auf!«, befahl er ihr dann. Zitternd kam Adela auf die Füße. Er berührte mit dem Metallhaken ihre Wange, als ob er sie streicheln wollte. Sie wich zurück und presste ihren Rücken gegen die Wand.
»Weißt du«, sagte er mit dieser ruhigen, beinahe sanften Stimme, die ihr den Magen umdrehte, »wenn ich nicht davon überzeugt gewesen wäre, dass du in dem brennenden Gehöft umgekommen wärst, hätte ich längst nach dir suchen lassen. Was für eine glückliche Fügung also, dass du mir in Winchester über den Weg gelaufen bist. Schließlich hatten wir viel Spaß zusammen, damals in deinem Ehebett, findest du nicht auch?«
William lachte leise, als ihm Adela nicht antwortete. Der Eisenhaken wanderte ihre Wange, dann ihren Hals hinab. William stutzte, als er die Schnur um ihren Hals bemerkte. »Trägst du daran etwa eine Erinnerung an deinen teuren Gatten?«, fragte er spöttisch. Adela wagte sich nicht zu bewegen, während er mit dem Haken den Rest der Schnur unter ihrem Kleid hervorhangelte.
»Oh, ein Ring. Aber viel zu kostbar für einen einfachen Ritter.« William stand nun dicht vor ihr und wog das Schmuckstück in seiner Hand. »Wer hat ihn dir geschenkt?«
Adela wollte ihm antworten, aber ihr Mund war wie ausgedörrt. Williams Hieb traf sie so unvorbereitet, dass ihr Kopf gegen die Wand geschleudert und ihre rechte Gesichtshälfte ganz taub wurde. Sie schmeckte Blut. »Richard …«, flüsterte sie mühsam.
»Plantagenet? Der Prinz?«
Sie nickte.
»Hat er dir
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