Die Rache der Horden
weit heraus. Sie sah inzwischen mehr nach einem Spielzeug aus, und doch empfand er Zuneigung zu dieser Lok, als wären die drei Jahre seit ihrem Bau für ihn die Brücke in ein noch viel weniger kompliziertes Zeitalter. Nachdem er im Führerstand der Malady gestanden hatte, der schwersten Lok im Dienst der MFL&S-Eisenbahn, war es ein seltsames Gefühl, wieder hier zu sein, wo alles begonnen hatte.
Der Lokführer, der gerade ein Lager prüfte, drehte sich um und salutierte vor Chuck.
»Wie hält sie sich?«
»Keucht ein bisschen, Sir, und die Zylinder müssen bald neu abgedichtet werden, aber sie hat immer noch etwas von ihrem alten Herzen.« Mit der behandschuhten Hand tätschelte er liebevoll den Kessel.
Chuck blickte zum Uhrenturm neben dem Bahnhof. Die Malady stieß einen langen Pfiff aus und fuhr mit läutenden Glocken an. Verspätete Fahrgäste liefen aus dem Bahnhof, einige noch mit einer Hand voll Brot in der Hand oder einer Tüte Trockenobst, und stürmten den Bahnsteig entlang, um noch in den Zug zu springen.
Kaum war die Malady auf dem Weg nach Roum aus dem Bahnhof heraus, als der auf dem Rangiergleis wartende Zug, gezogen von der Lokomotive City of Hispania, einen langen Pfiff ausstieß. Der Weichenmeister blickte zum Telegrafisten hinauf, der sich aus dem Büro lehnte und eine grüne Kugel hochhielt, das Signal, dass die Strecke im Westen bis zum Bahnhof Orono und der Brücke über den Penobscot frei war, hundertsechzig Kilometer weiter.
Der Weichenmeister gab den Weg frei, und der Lokführer beugte sich aus der Kabine und winkte ihm grüßend zu. Die Lok fuhr mit ihren fünfzehn geschlossenen Güterwagen an, die dicht gefüllt waren mit Zwieback- und Pökelfleischrationen, genug, um die Armee etliche Tage lang im Feld zu ernähren.
Chuck sah sich das voller Stolz an. Andrew steuerte vielleicht die Führung und die Visionen bei, um den Sieg und das Überleben der Republik sicherzustellen, aber ohne Eisenbahn hätten sie nicht den Schatten einer Chance gegen die Horde gehabt. Die Bahn war es, die mehr als jeder andere Faktor über Sieg oder Niederlage entschied.
Auf der Erde hatte er mehr als einen Eisenbahner sagen hören, dass die Konföderation, wäre der Bürgerkrieg zehn Jahre früher ausgebrochen, wahrscheinlich gesiegt hätte; dass es unmöglich gewesen wäre, ein Land zu erobern, das größer war als ganz Europa, ohne dass man die Bahnlinien zur Verfügung hatte, um ganze Armeen zu befördern und zu versorgen. Nun, das Gleiche traf hier zu: nur mit Dampfkraft erreichte man die Vereinigung, die Versorgung und die Beweglichkeit, die man gegen berittene Krieger brauchte.
Der Zug fuhr auf die Brücke über den Sangros, und die Dampfpfeife spielte dabei die »Hymne an Kesus«.
»Da steht Petrow Petrowitsch am Gashebel«, erklärte der Lokführer der Waterville. »Er wird langsam richtig gut mit dieser Melodie.«
Er blickte zur Uhr hinüber.
»Zeit zu fahren, Sir.«
Chuck lächelte und fühlte sich versucht, in den Führerstand zu steigen, aber andererseits hatte er gerade etwas gefunden, was ihn doch ein bisschen mehr interessierte als die Lokomotive, und so ging er nach hinten zu dem einsamen Fahrtgastwaggon, der an die vier Fallbodenwagen voller Schwefel für die Pulverfabrik angehängt war.
Chuck konnte sehen, dass die über ein Dutzend seiner Mitarbeiter geradezu nach seiner Aufmerksamkeit lechzten und ihn am liebsten mit einer Sintflut von Fragen zu technischen Problemen überschwemmt hätten, aber derzeit interessierte er sich ganz für Olivia, während er ihr half, in den schmalen Fahrtgastwaggon einzusteigen.
Die Waterville ruckte an und klang dabei mehr nach einem zornigen Teekessel als nach etwas, was dem tiefen Rumpeln der Malady geähnelt hätte. Der Zug fuhr hinaus auf die Nebenstrecke und durchquerte dabei eine Weiche, die auch zum Lokschuppen führte, wo mehrere Loks bereitstanden und gewartet werden wollten.
Die leichten Zehn-Pfund-Gleise der Nebenstrecke führten auf und ab durch die Landschaft, ohne dass hier jemand einen Versuch unternommen hätte, die Streckenführung zu begradigen. Die Erdwälle rings um die Lagerhäuser und das Bahnbetriebsgelände glitten links vorbei; das Gelände rings um die Befestigung war ein böses Labyrinth von Todesfallen. Ursprünglich hatte Chuck den Schuppen im Lagerhausbezirk errichten wollen, aber die damit verbundenen Gefahren und der Sicherheitsbedarf hatten ihn letztlich bewogen, Keane zuzustimmen und den Schuppen weit außerhalb
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