Die Rache der Horden
beinahe schutzloses Volk über die ganze Welt jagen würden, bis sie Rache genommen hätten. Das Umen, das ihn begleitete, war fast alles, was er für dieses Treffen zusammenkratzen konnte – denn so gut wie alle Übrigen lagen vor der Menschenstadt Suzdal begraben.
Jubadi hob die Hand, als wollte er Tayang warnen.
»Lache nicht so laut«, mahnte er mit leiser Stimme. »Zu viele unserer Toten werden deine Heiterkeit nicht gut aufnehmen.«
»Die Toten der Tugaren, die Toten der Merki, was bedeuten sie mir schon?«, entgegnete Tayang, aber Muzta entging nicht sein kurzer Blick nach oben zur Spitze der Jurte, wo, wie es hieß, die bösen Geister durch den Rauchabzug Einlass fanden.
»Bald genug werden es tote Bantag sein«, sagte Jubadi, »falls wir hier zu keiner Übereinkunft gelangen.«
»Und darum sorgst du dich?«, gab Tayang zurück.
»Es sollte uns alle sorgen – Merki, Tugare und Bantag.«
Erschrocken blickte Muzta zu Jubadis Gefolge aus Clan-Qarths hinüber, die in einem Kreis um seinen Thron aus Viehknochen hockten. Ein Merki erhob sich dort und blickte zu seinem Qar Qarth hinauf. Er war schmal gebaut, hatte ein braunes Zottelfell und dunkle Augen voller kalter Absicht und voller Wissen – Augen, die mehr an die einer Schlange erinnerten als an die eines jagenden Tigers. Seine Rüstung war schlicht: ein Kettenhemd aus schwarzem Stahl, der Überwurf verziert mit einem weißen Kreis auf schwarzer Seide. Die Hose bestand aus braunem Leder, wobei Metallstreifen die Schenkel schützten. An der Schulter trug er den runden, überdimensionierten Bronzeschild seines Amtes.
Jubadis Blick drückte großes Erstaunen aus, dass jemand, der unter ihm diente, es wagte, seine Gedanken in diesem Augenblick zu unterbrechen – diesem Augenblick, an dem drei Qar Qarths zusammengekommen waren. Jubadi blickte zu dem Schildträger hinab, als ränge er mit einer Entscheidung, und nickte dann kaum merklich. Der andere Merki trat vor.
»Ich bin Tamuka, Schildträger des fürstlichen Erben, des Zan Qarth Vuka.«
Muzta kannte diesen Mann von frühen Er konnte nur hoffen, dass Tamuka die Kraft aufbrachte, Vuka zu lenken, denn falls es jemals jemanden gegeben hatte, der nicht zum Qar Qarth geeignet war, dann Vuka. Muzta entdeckte den Ausdruck der Wachsamkeit in den Augen des Zan Qarth, als Tamuka ins Zentrum der Jurte vortrat.
»Ist deine Zunge so schwach, dass sie nicht für sich selbst sprechen kann?«, fragte Tayang und sah dabei Jubadi an.
»Vielleicht kann ich die Worte am besten so ausdrücken, dass sie für uns alle verständlich werden«, meldete sich Tamuka zu Wort. »Ich bin nicht Qar Qarth, dessen Gedanken sich um die eigene Macht und die Macht seiner Horde drehen. Ihr drei werdet geleitet von eurem Ka, dem Geist des Kriegers, wie es auch angemessen ist für jene, die herrschen. Aber ihr alle hier wisst, dass die Schildträger der Merki, die geboren sind aus den Reihen des Weißen Clans, vom Tu angeleitet werden, dem vom inneren Geist geformten Ka-tu.«
»Ich habe davon gehört«, räumte Tayang ein, und sein Ton verriet eine Spur Neugier.
»Obwohl solche wie ihr bei den Bantag niemals Einfluss ausüben würden«, fügte er rasch hinzu und blickte zu Muzta hinüber. »Und auch nicht bei der Tugarenhorde, vermute ich.«
»Aber hätte ich mehr auf jemanden gehört, der, wie ich vermute, vom Ka-tu geleitet wurde«, hielt ihm Muzta entgegen, »dann wäre vielleicht all das nicht geschehen, und es wären die zerbrochenen Gebeine der Yankees, die in der Sonne bleichen, nicht die der Tugaren.«
Bestimmte Augenblicke im Leben, dies hatte er lernen müssen, wurden tausende Male aufs Neue durchlebt, und jede dieser Wiederholungen war voller Schmerz und erfüllt von der Sehnsucht, es wäre irgendwie möglich, in die Vergangenheit zurückzukehren und eine Handlung oder auch nur ein einzelnes Wort zu verändern, um auf diese Weise all den Schmerz zu verhindern, der seitdem entstanden war. Zwei solche Augenblicke hatten sich in seinem Leben zugetragen. Einer vor ach so langer Zeit im Privatleben mit einer heute schon lange dahingegangenen Gemahlin, der andere in seinem Leben als Qar Qarth: Qubata hatte vor ihm gestanden und sich gegen einen Frontalangriff auf die Yankees ausgesprochen; und Muzta hatte nicht auf ihn gehört. Und Qubata war tot, wie auch fast all jene, die am damaligen Tage in die Schlacht stürmten.
»Hört ihm zu«, sagte Muzta. Er sagte es mit solchem Nachdruck, dass sich Tamuka zu ihm umdrehte, ein
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