Die Rache der Horden
Truppen. Geübt hatten sie es schon Dutzend Mal. Er blickte wieder über den Fluss. Auf dem anderen Ufer waren außerhalb der Artilleriereichweite mindestens fünf Umen in Schlachtordnung aufmarschiert. Stromaufwärts sammelten sich Tausende um die Balkenkonstruktionen, die Flöße und die Boote voller Felsbrocken. Falls der Nordwestflügel nicht den eigentlichen Angriff vortrug, musste Andrew das gesamte Korps hierher zurückholen. Sechzehn Stunden Fahrt, alles in allem, was sie für die Verteidigung hier unten und einen möglichen langen Tag des Kampfes morgen erschöpft hätte.
Sein schlimmster Albtraum hatte also schon begonnen, und dabei dauerte die Schlacht erst zwei Tage. Falls er jetzt damit begann, jeder Krise folgend hin und her zu rennen und seine kostbaren Kräfte jeder möglichen Finte entgegenzuwerfen, dann war er erledigt.
»Vorläufig bleiben Sie, wo Sie sind«, sagte er langsam und blickte dabei wieder Rick an.
»Was ist mit Hans?«
Andrew nickte und wandte sich an einen Burschen.
»Ist Pat wieder in Suzdal?«
»Eben ist die Meldung eingegangen, dass er im Hauptquartier des Reservekorps auf Befehle wartet.«
»Gut. Leiten Sie diese Meldung an General O’Donald in Suzdal weiter: schicken Sie eine Division Roumtruppen aus Suzdal direkt zu General Schuders Flankenstellung am Potomac.«
Der Bursche schrieb die Meldung nieder, unter die Andrew anschließend seine Initialen setzte, und rannte los.
Andrew wusste, dass er damit den Plan aufgab, O’Donald als Notreserve bereitzuhalten, falls es hier zu einer Katastrophe kam.
»Wir haben einfach nicht genug Leute«, sagte er leise. »Es sind gefährlich wenige.«
Allmählich dachte er, dass ungeachtet ihrer Stellung -ob hier oder am Neiper – die Zahl einfach nicht reichte.
Er blickte zum dunkler werdenden Himmel hinauf, und dabei fiel ihm ein erster kalter Regentropfen auf die Brille.
»Jesus, da kommen sie!«
Hans blickte durch den Feldstecher nach Norden, konnte aber die Dunkelheit kaum durchdringen. Was er trotzdem sah, erinnerte ihn an eine unnachgiebige Wand aus Fleisch und Stahl, die im Laufschritt anrückte. Das tiefe, kehlige Knurren der Merki übertönte wie Donnergrollen noch das Stakkato der Musketen und das Krachen der Kanonen.
Die Bastionen 110 und 109 an der äußersten Flanke waren schon verschwunden, waren förmlich untergegangen im unvermittelten brutalen Angriff. Eben noch war es still im Wald gewesen, und innerhalb von Minuten waren die Erdschanzen der Festungen übersät mit toten und verwundeten Merki und lagen die Innenbauten in Trümmern, als die Angreifer einfach darüber hinwegschwärmten, ohne einmal anzuhalten. Die Front wurde förmlich aufgerollt wie ein allmählich zusammensackendes Kartenhaus.
Die Angriffswelle schwappte jetzt aus Westen, Norden und Osten über Bastion 108 zusammen. Auch die Rückzugslinie achthundert Meter hinter der Festung versank unter dem Zangenangriff.
Einen Augenblick lang empfand Hans Mitleid für die Männer in der Festung – in ein paar Minuten waren sie alle tot, aber sie erkauften damit Zeit, kostbare Zeit.
Hans verließ seine Bastion und nickte Charlie Ingrao zu, dem Artilleriebefehlshaber für die sechs Batterien umfassende Korps-Reserve.
Die Kanonen waren fast Radnabe an Radnabe aufgefahren und nach Norden gerichtet. Rechts von ihnen war eine komplette Brigade aufmarschiert, fast zweitausendfünfhundert Mann, die eine Frontlinie von über dreihundertfünfzig Metern bildeten, quer durch die Lichtung im Wald, die man für die jetzt umgangenen Festungen geschlagen hatte. Mehr stand Hans nicht zur Verfügung-er hatte dafür alle Bastionen geplündert, von Nummer 100 am Waldrand bis zu Nummer 80, hatte die Leute in mehrere Reservezüge geladen und sie in Windeseile hier heraufgefahren, wobei nur eine Rumpfmannschaft von etwas mehr als einer halben Brigade in den Festungen zurückblieb.
»Eins null acht fallt gerade«, sagte Ingrao leise und deutete auf die fragliche Festung. In achthundert Metern Entfernung fiel die Regimentsflagge der Nowroder flatternd von der Stange. Winzige Gestalten erschienen an der Südseite der Festung, rutschten die Wälle herunter und rannten los; größere Gestalten tauchten hinter ihnen auf, und Tote stürzten.
Quer über die breite, offene Frontlinie, durchsetzt von wenigen Restbaumbestanden, rückten die Merki-Umen in gleichmäßigem Tempo weiter vor.
Hans schwang sich in den Sattel und steckte den Karabiner ins Futteral. Auch seine Stabsoffiziere
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