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Die Rache der Jagerin

Die Rache der Jagerin

Titel: Die Rache der Jagerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly Medling
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ging es genauso – mehr, als ich es mir bisher klargemacht hatte. Ich wollte mich bei ihm dafür entschuldigen, dass ich ihn getötet hatte. Wollte für die Rolle, die ich in seinem grausamen Schicksal gespielt hatte, Vergebung erlangen. Tränen traten mir in die Augen. »Ich weiß. Auch ich liebe ihn.«
    Er nahm die Brille ab, schloss die Augen und massierte sich die Nasenwurzel. Als er die Brille wieder aufsetzte, wirkte er ruhiger und noch ein wenig trauriger als vor einer Minute. »Hast du ihn wenigstens als vermisst gemeldet?«, erkundigte er sich.
    Mir drehte sich der Magen um. »Noch nicht. Irgendwie habe ich wohl gehofft, dass er auftauchen würde.«
    »Meinst du nicht, dass es Zeit wäre?«
    Der Anruf würde Alex zwar nichts nützen, aber so konnte ich wenigstens etwas für Leo tun. Als Geste gegenüber dem besorgten Vater, der schon bald herausfinden würde, dass sein Sohn nie mehr nach Hause zurückkehren würde. Ich durchquerte das Wohnzimmer und ging zu dem kleinen Tisch neben der Schlafzimmertür. Dort nahm ich das Telefon von der Station und wählte.
    »Notrufzentrale, was möchten Sie melden?«, kam die Stimme aus dem Hörer.
    Ich schluckte. »Ich würde gern jemanden als vermisst melden.«

    Ich setzte mich neben Aurora aufs Sofa. Während meines Streits mit Leo und dem anschließenden Telefonat hatten die beiden Kauzlinge geschwiegen. Allerdings hatten sie uns ebenso aufmerksam und durchdringend beobachtet, wie Phin das Verhör mit Tattoo verfolgt hatte. Mit dem Blick eines wachsamen Raubtiers.
    »Phin ist draußen beim Auto«, sagte ich leise. »Mit ihm ist alles in Ordnung.«
    »Bleibst du nicht hier?«, fragte Joseph.
    »Das geht nicht.«
    »Wir sind hier nicht mehr sicher.«
    Ich sah zu Alex’ geschlossener Zimmertür hinüber, durch die Leo vor einer Minute verschwunden war. Eigentlich hatte ich erwartet, dass er wutschnaubend die Türe zuwerfen würde, aber er hatte sich ganz ruhig zurückgezogen. »Leo wird euch nichts tun«, erwiderte ich.
    »Er ist so wütend«, meinte Aurora mit deutlicher Furcht in ihrer Singvogelstimme.
    »Auf mich, glaube ich. Und eindeutig auch auf sich selbst. Versucht einfach, ihm nicht in die Quere zu kommen, und alles wird gut.«
    »Ich hoffe, Phin hat gut daran getan, sein Vertrauen in dich zu setzen«, entgegnete Joseph.
    Ich kniff die Augen zusammen. »Tja, er hat es jedenfalls getan, und ihr beide solltet es allmählich auch tun. Ich muss los, aber ich versuche, heute Abend noch einmal vorbeizuschauen. Wir müssen ein paar vielversprechenden Hinweisen nachgehen.«
    »Ich vertraue dir«, sagte Aurora. »Niemand kann die Zukunft voraussehen, aber ich vertraue die unsere deiner Obhut an.« Sie keuchte und fasste sich an den Bauch. Beinahe blieb mir das Herz stehen, und ich beruhigte mich erst wieder, als sie mich anlächelte. »Sie bewegt sich viel. Bald ist sie so weit, dass sie herauswill.«
    Ich musterte ihren gewölbten Bauch und das unsichtbare Leben, das darin wuchs. »Das mag vielleicht nach einer blöden Frage klingen, aber kann das Baby – ich meine, wenn es geboren wird …?«
    »Das ist genauso wie bei menschlichen Geburten. Sie kann in einem normalen Krankenhaus zur Welt kommen, ohne dass es Verdacht erregt. Sie schreit nur nicht so viel, da sich ihre Stimmbänder erst bis zum Ende ihres ersten Lebensmonats vollständig entwickelt haben.«
    »Das ist bestimmt angenehm für dich.«
    Geduldig lächelte sie mich an. »Unsere Kinder wachsen schneller heran als die der Menschen, deshalb wird sie bereits mit acht Monaten in ganzen Sätzen sprechen können. Die stumme Phase ist sehr kurz.« Aurora nahm meine Hand und drückte sie auf ihren Bauch. Zwar zuckte ich unwillkürlich zusammen, hielt sie jedoch nicht auf. »Da. Sie sagt dir hallo.«
    Ich spürte, dass etwas in einem regelmäßigen Stakkato gegen die Bauchdecke boxte, und stellte mir eine winzige Faust vor, die sich bemerkbar machen wollte. »Sie wird bestimmt eine Kämpferin«, gab ich zurück.
    »Mir wäre es lieber, wenn sie ein Leben in Frieden führen könnte«, antwortete Aurora und ließ meine Finger los.
    Ich zog beschämt die Hand zurück und stand auf. »Soll ich euch noch irgendetwas besorgen, bevor ich gehe?«
    Sie schüttelten die Köpfe.
    »Wenn Leo weiterhin Fragen stellt …«
    »Ich habe ihm erzählt, dass mein Bruder ein ehemaliger Schulkamerad von dir wäre«, erklärte Aurora, »dass ich mit meinem Großvater zusammenlebe und unsere Wohnung diese Woche gerade vom Kammerjäger

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