Die Rache der Liebe
keinen Haß. Eher Neugierde, Ungeduld, aber keineswegs jene Feindseligkeit, die ihr von allen anderen entgegenschlug.
Sie gab ihm den Wassersack zurück und erwartete, dass er wieder davonreiten würde, statt dessen sagte er jedoch: »Wer hat dich geschlagen?«
Ihre geschwollene Backe war freilich nicht zu übersehen. Wenn sie nach unten schaute, konnte sie die Schwellung sogar selbst wahrnehmen. Obwohl sie gern gewusst hätte, ob sich die Backe auch zu verfärben begann, verkniff sie sich, danach zu fragen.
»Deine Gattin«, sagte sie stattdessen .
Sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. »Sie hat eine etwas ungestüme Art, ihre Lieben zu verteidigen. «
Ungestüm in der Tat. Erika bezweifelte, ob sie je den Dolch an ihrer Kehle vergessen würde. » Ich habe damit gerechnet.«
»Ach? Warum?«
Argwöhnisch blickte sie zu ihm hinauf. War er nur neugierig, oder hatten seine Fragen einen anderen Grund? Zögernd gestand sie ihm die Wahrheit: »Weil mir klar war, dass sie früher oder später den Rücken ihres Bruders sehen würde.«
»Richtig, das Auspeitschen. Warum hast du es angeordnet?«
Die Frage erstaunte sie. Hatte ihm seine Gemahlin denn nichts erzählt?
»Er stand unter dem Verdacht der Spionage. Als er vernommen wurde, klangen seine Antworten erlogen.« Das war nur teilweise richtig, denn der eigentliche Grund war gewesen, dass er sie beleidigt und aufgefordert hatte, das Bett mit ihm zu teilen. Dennoch wollte sie nun wissen: »Was ist an einer Peitschenstrafe eigentlich so ungewöhnlich? Ich bin überzeugt, du hättest nicht anders gehandelt.«
»Wahrscheinlich, aber ich bin ein Mann, und sein Engelsgesicht hätte auf mich keine Wirkung.«
»Ich sehe nicht ein, welchen Unterschied ... «
»Nein? Die Frauen schwärmen für ihn, vergöttern ihn. Sie miss handeln ihn nicht.«
Auch sie hätte das nicht getan, machte sich Erika bewußt. Die Begleitumstände waren einfach ungünstig gewesen. Andererseits ärgerte es sie ungemein, dass Selig, der Gesegnete, sich scheinbar alles ungestraft erlauben konnte - solange eine Frau die Richterin war. Dieser Meinung waren hier alle. Seine Schwester dachte so. Und eingedenk seines dreisten Verhaltens während des Verhörs muss te auch er dieser Ansicht sein.
»Also wolltest du ein Geständnis?«
»Was?« Gedankenverloren schaute sie ihn an, bis ihr wieder einfiel, worauf er anspielte. »Nay ... ich ... er hat mich beleidigt, und da habe ich die Beherrschung verloren.«
Royce warf den Kopf zurück und begann schallend zu lachen. Erika biß sich auf die Lippen. Sie hätte sich nie zu diesem Eingeständnis hinreißen lassen dürfen.
»Das ist nicht komisch!« stieß sie hervor.
»Großer Gott, das also ist es! Die Beherrschung verloren? Endlich ergibt diese Absurdität einen Sinn! «
Er gab ihr mit seiner Reaktion zu verstehen, dass man von einer Frau nichts anderes erwarten konnte, und Erika nahm ihm das übel. Es hatte sich nur um einen momentanen Kontrollverlust gehandelt, den sie gleich darauf bedauert hatte. Wäre sie nicht durch Thurstons Unfall abgelenkt worden ...
Mit finsterer Miene beobachtete Selig die beiden. Es gefiel ihm nicht, dass Royce Interesse an seiner Gefangenen zeigte, und dies umso mehr, da er nicht hören konnte, worüber sich die beiden unterhielten. Noch weniger gefiel es ihm, dass Royce die Gefangene jederzeit freilassen könnte und in seinem gegenwärtigen Zustand könnte Selig nichts dagegen unternehmen, außer zum Krieg zwischen ihren beiden Völkern aufzurufen, was wiederum völlig ausgeschlossen war.
Und doch war er nahe dran, es zu tun, aber er wollte es nicht darauf ankommen lassen. Nay, sie würde nicht freige lassen werden, weder von Royce noch von ihm, nicht, ehe er sich gerächt hätte. Und gemessen an seinen jetzigen Gefühlen könnte das noch Jahre dauern.
Selig bemerkte, dass die Frau mit einem Mal wütend wurde. Royce redete weiter auf sie ein, doch sie ignorierte ihn völlig, bis er schließlich davonritt. Selig besaß die Gabe, die Gefühle einer Frau mit geradezu schlafwandlerischer Sicherheit zu erspüren - selbst die Gefühle von Frauen, die er hasst e. Nay, außer dieser Frau hatte er noch nie eine ge hasst , und es fiel ihm in der Tat auch schwer, sich an diese neuartige Situation zu gewöhnen. Vor allem, wenn die Frau so wohlgestalt wie diese Dänin war. Er muss te wieder daran denken, wie seine Schwester wenige Stunden nach ihrem Aufbruch zu ihm gekommen war und beiläufig angemerkt hatte, dass Erika
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