Die Rache Der Nibelungen
Rache und Vergeltung, als habe der Prinz von Xanten mit den höllischen Horden selbst ein unschuldiges Land gemetzelt. Ihre Rufe verlangten mehr als den Kopf Siegfrieds – nicht weniger als die Vernichtung seines Heers wurde zur Ehrenpflicht ausgerufen und der Kampf ohne Rücksicht auf Verluste.
Wulfgar nickte zufrieden. »Dann ist es beschlossen, dass Xanten nicht weichen wird, dass das Reich kämpft, solange ein einziges Herz in ihm schlägt.«
Henk trat an seine Seite. »Und wenn Frauen und alte Männer mit Mistgabeln gegen die Invasoren treten müssten – Xanten steht hinter seinem König.«
»Tragt diese Botschaft in die Dörfer«, befahl Wulfgar. »Vom heutigen Tag an ist jeder Bürger auch Soldat, kommt die Verteidigung vor jeder anderen Pflicht. Sich zu ergeben heißt Verrat und wird wie Verrat geahndet. Für Xanten zu leben ist für den König zu sterben.«
Seine Generäle nickten zustimmend, schlugen die Fäuste auf die Brust und verließen den Kriegsraum. Wulfgar blieb allein zurück und schenkte sich guten Wein ein, den er für eine einsame Stunde aufbewahrt hatte. Er setzte sich auf einen Stuhl – seit Tagen hatte er gestanden, um Kraft und Größe zu zeigen. Nun gönnte er seinen Schultern Entspannung und Ruhe.
Die Zeit der lauten Sprüche war vorbei.
Der Krieg war verloren – und fing nun doch erst richtig an.
Es ging nicht mehr um Sieg. Es ging darum, die Niederlage teuer zu verkaufen. Jeder Xantener, der am Speer der Angreifer fiel, war ein Xantener weniger, den Siegfried dereinst regieren konnte. Und jeder Xantener Vater, der unter dem Schwert des Isländer Prinzen starb, hinterließ eine Familie im Hass auf Siegfried. Das Leid des Volkes würde nicht mehr das Leid Wulfgars sein, sondern das Leid des neuen Königs.
Wulfgar trank in heftigen und tiefen Zügen.
Sollte er fliehen? Ach was! Noch zehn, fünfzehn Jahre sich verstecken, in ständiger Angst vor Häschern und gedungenen Mördern, das war nicht seine Sache. Lieber sah er zu, wie das Reich unterging. Das Reich, das ihn nicht verdient hatte. Das ihn nun, da er als Triumphator aus Island gekommen war, in der Verteidigung jämmerlich im Stich ließ.
Xanten hatte das Leid verdient, und diesen Verdienst würde Wulfgar ihm auszahlen. Mit Zins und Zinseszins.
Sie standen einander gegenüber als Fremde, und in den Augen doch vertraut wie Geschwister. Die kleine Fackel spielte Schatten auf ihre Gesichter und warf ein Feuer in die Blicke, das aus der Seele kam. Ihnen fielen erst keine Worte ein, weil jeder wusste, was der andere dachte.
Musste Siegfried den groben Herrscher geben, um die Tochter des Feindes zu verspotten? Sollte Xandria sich trotzig geben, in aufrechtem Widerstand vor dem Herausforderer ihres Vaters? Beide fanden keinen Sinn in höflichem Getue, und Floskeln schienen so wertlos wie lächerlich.
»Mir wurde von dir im Traum erzählt«, sagte Siegfried schließlich, und er schämte sich dafür nicht.
Xandria hielt seinem Blick stand. »Und ich habe dich im Traum gesehen.«
Sie glaubten an verschiedene Götter, doch waren sie eins in der Erkenntnis, dass, welche Götter auch immer das Geschick der Menschen lenkten, diese Götter ihren Weg bestimmt hatten.
»Haben meine Wachen recht? Kamst du, um mich im Schlaf zu töten, auf dass der Krieg ein Ende habe?«
»Mit deinem Tod würde auch meine Zukunft enden«, sagte die Prinzessin. »Doch bin ich Xanten in Freundschaft verbunden. Und in Schmerz, wenn ich es leiden sehe.«
Siegfried nickte. »Auch mein Wille ist nicht Leid, sondern Befreiung. Es betrübt mich, dass dein Vater Ursache dieses Leides ist.«
Während er sprach, trank er wieder von ihren Augen, war jedes Zittern ihrer Lippen ein Lockruf, jedes Heben ihrer Brust ein Sirenengesang. Er sprach nur noch, um nicht in wortlose Raserei zu verfallen und sich zu nehmen, worauf er nie mehr verzichten wollte.
Als hätte sie seine Gedanken erraten und nicht weniger ersehnt, schlug Xandria vor: »Ich würde mich dir geben, wenn es das Leid nur einer Familie lindern könnte, meinen Körper willig als Pfand für den Frieden.«
Die Worte waren so ehrbar wie gelogen – die Prinzessin loderte innerlich, hungerte nach dem ehrlichen Fleisch Siegfrieds, das sie bisher nur im Traum an sich gepresst hatte. Ihr Körper war kein Pfand, er war nur noch entfachte Leidenschaft für den fremden Prinzen. Sein heißer Mund an ihrer Brust war all der Lohn, nach dem sie sich sehnte.
Und trotzdem standen sie steif da, leicht zitternd, den
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