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Die Rache Der Nibelungen

Titel: Die Rache Der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Dewi , Wolfgang Hohlbein
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nicht einen Moment, ob er ihr trauen konnte. Nackt in den Xantener Thronsaal wäre er gegangen, umgeben von den Schwertern Wulfgars, hätte Xandria ihn darum gebeten. Ihr Wort war mehr als nur Bitte für ihn – es war sein Gesetz.
    In dunkle Mäntel hatten sie sich gehüllt und alle Insi-gnien der Macht, die sie verraten konnten, abgelegt. Zwei gute Pferde hatte der Prinz herbeischaffen lassen, und die Nachtwachen auf beiden Seiten der Front hatten sie unbeschadet passiert – die Söldner befolgten Siegfrieds Befehl, den Weg freizugeben, und die Grenzposten Xantens stellten weder die Order der Prinzessin infrage noch die Identität des Begleiters an ihrer Seite. Auf schmalen Wegen und durch dunkle Wälder ritten sie nach Xanten ein.
    Es missfiel Siegfried, sich wie ein Dieb in der Nacht in das Land seiner Väter zu schleichen. Er wollte als siegreicher Kriegsherr einmarschieren, bejubelt vom endlich befreiten Volk. Er wollte baden in der Begeisterung der Menschen, die nur auf ihn gewartet hatten.
    Andererseits ritt Xandria an seiner Seite, und sein Herz war voll und stark wie niemals zuvor. Kaum zwei Stunden, dass sie erste Worte gewechselt hatten, und schon wollte er sich keinen Sonnenaufgang mehr ohne sie vorstellen. Ihr schlanker Körper führte das Pferd fest und gleitend, und der Stoff ihres Kleides spielte im Wind. Sie kam dem am nächsten, was Siegfried je in einem Traum gesehen hatte, ohne zu schlafen.
    Vielleicht war es die entflammte Liebe, die ihn erst spät merken ließ, durch welche Ödnis sie ritten. Die ersten Häuser lagen nicht dunkel, weil die Bewohner ruhten, sondern weil sie ausgebrannt oder verlassen waren. Immer wieder wehte süßlicher Gestank vom Wegesrand, wo Kadaver toter Kühe lagen, die noch in den letzten Zügen gehungert haben mussten. Karren, deren Rad gebrochen war, hatte man liegen gelassen, und kaum ein Feld hatte in diesem Frühling den Pflug gesehen. Und wo nichts wuchs, würde nichts zu ernten sein.
    Sie sahen Dörfer, deren Brunnen stanken und in denen klapprige Gestalten, die dem Menschenbild zu höhnen schienen, stöhnend im Schmutz lagen. Was Siegfried im fahlen Mondlicht für einen toten Hasen hielt, entpuppte sich als totgeborenes Kind, nur noch den Würmern zur Mahlzeit gereichend. Er musste sein Pferd zügeln, und als es ruhig am Wegesrand stand, übergab er sich auf den ausgedörrten Boden.
    Xandria sah man das schmerzende Herz an, doch sie hatte das Leid zu oft gesehen, um ihm noch Opfer zu bringen. »Siehst du dein Xanten, Siegfried? Der Krieg ist nicht einmal hier, und schon hat er das Wenige, was die Regentschaft meines Vaters übrig ließ, vernichtet. Klopf an die Türen – nicht einen Mann wirst du finden. Nur hungernde Kinder, lahme Greise, verzweifelte Frauen.«
    Siegfried wischte sich den Mund ab, versuchte es mit vorgespieltem Stolz. »Ist es nicht Grund genug, dies arme Reich deinem Vater zu entreißen – das Leid zu beenden durch Gerechtigkeit und Freiheit? Xanten war nie arm unter Siegmund, meinem Großvater, oder Kriemhild, meiner Mutter.«
    »Aber bis es so weit ist, wird durch deinen Krieg nichts mehr sein, was es zu regieren gibt«, hielt Xandria dagegen. »Die Dörfer werden menschenleer sein und ausgebrannt. Es ist gut und edel, dass du deinen Söldnern die Vollbürgerschaft versprochen hast, denn sie werden das neue Xanten bilden. Dann ist Xantener Volk ohne Xantener Blut – auch das ist dein Erbe, Siegfried.«
    Siegfried wusste, dass Xandria recht hatte, doch war Krieg nicht immer der Bringer von Elend und Leid und doch Wegbereiter einer neuen Ordnung? War er nicht die notwendige Reinigung, wie das Ausbrennen einer Wunde? »Zeige mir einen Weg, der dem Tun von Wulfgar ein Ende bereitet, der den Thron von Xanten in die Hände seines rechtmäßigen Herrschers gibt – und ich werde ihm folgen.«
    Eine einzelne Träne rann silbern Xandrias Wange hinab. »Was versucht werden konnte, habe ich bereits versucht. Schon bevor ich deinen Namen im Schlaf rief, trachtete mein Herz nach Vatermord. Doch es war nicht bestimmt. Ich habe also keine Antwort für dich.«
    »Dann sind wir also gefangen in diesem grausamen Spiel und müssen es bis zum bitteren Ende verfolgen?«
    Xandria sah ihn an, und ein bittereres Lächeln hatte Siegfried noch nie gesehen. »Würdest du in den Tod gehen – mit mir?«
    Er nickte, ohne zu zögern. »Nie mehr lasse ich dich allein, ob im Leben, ob im Tod.«
    »Dann wenigstens könnten wir vereint sein, und die Last der Frage, wie

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