Die Rache Der Nibelungen
Botschaft.
Es war ein Kurier vom Hofe Xantens, außer Atem vom eiligen Ritt, der von zwei treuen Soldaten flankiert ins Zelt trat.
»Wer stört schon so früh den Morgen?«, fragte Siegfried.
Der Bote keuchte ein wenig und zog ein aufgerolltes Pergament aus seinem Umhang. »Mein ... mein Herr ... Ihr werdet an den Hof geladen.«
Sofort begannen die Generäle ablehnend zu murmeln. Keinesfalls konnte der Heerführer die Burg des Feindes aufsuchen, wo er leichtes Opfer war und sein Schutz kaum zu garantieren stand.
Auch in Siegfrieds Blick lag keine Begeisterung. »Mein letztes Treffen mit Wulfgar verlief nicht gerade einträchtig. Er kennt meine Ansprüche. Was hat er zu sagen, das meine persönliche Gegenwart erfordert?«
Siegfried nahm nun endlich das Pergament entgegen und bemerkte einen Unterschied zur Rolle, die das erste Treffen mit Wulfgar eingeleitet hatte.
Es fehlte das königliche Siegel.
»Wie kann es sein, dass Ihr vom König Kunde bringt, die nicht durch sein Siegel beglaubigt wurde?«
Immer noch ein wenig aufgeregt atmete der Bote tief durch. »Die Einladung ist vom Hofe, doch nicht von König Wulfgar.«
Nun raunten die Generäle so laut, dass sie auch offen hätten sprechen können. Was der Bote sagte, war unerhört – niemand außer dem König konnte sich anmaßen, direkten Kontakt mit dem Gegner aufzunehmen. Das war Verrat, Hochverrat. In keinem Land stand darauf weniger als der Tod.
Argwöhnisch rollte Siegfried das Pergament auseinander, die Einladung zum Hofe sorgfältig studierend. »Aber wenn die Offerte rechtens ist, muss er sein Siegel trotzdem daruntersetzen.«
Der Bote sah sich unsicher um, aber es war seine Aufgabe, Rede und Antwort zu stehen. »Das Siegel König Wulfgars von Xanten wurde in den frühen Morgenstunden gebrochen.«
Totenstille.
Siegfried sah den Boten an. Die Generäle standen wie vom Donner gerührt.
Das königliche Siegel zu brechen war nur in einem Fall erlaubt. Im Falle des Todes des Königs.
»Sattelt ein schnelles Pferd«, sagte Siegfried schließlich. »Sucht zehn gute Männer zu meinem Schutz. Und findet Nazreh. Ich will ihn an meiner Seite wissen.«
Für die Liebe zu Siegfried war in Xandrias Kopf kein Platz in diesem Moment. Kein Tag in ihrem Leben hatte je mit solcher Hektik begonnen, mit so vielen Stimmen, die ihr Ohr suchten, und so vielen Ohren, die auf ihre Entscheidung drangen.
Der König war tot.
Das Land war im Krieg.
Und alles schaute auf sie.
Den feigen Mörder hatte sie in den Kerker werfen lassen. Sein Tod war beschlossen, ohne verkündet werden zu müssen, und damit konnte sie sich später noch beschäftigen. Die Bedürfnisse des Tages ließen keine Zeit für Trauer, von der Xandria sowieso nicht wusste, ob sie sie aufbringen würde.
Der Krieg jedoch duldete keinen Aufschub. Ihre Generäle hatten sie bedrängt, das Wort vom Schicksal viel gebraucht und förmlich darum gebettelt, dem Feind keine Gelegenheit zu geben, in der Verwirrung bei Hofe den großen Angriff zu führen, der Xanten in die Knie zwingen konnte. Nur der engste Kreis wusste, was geschehen war, und mit Mühen war es gelungen, die Kunde innerhalb der Burg zu halten. Wie hatte Henk gesagt? »Erreicht die Nachricht vom Tod Wulfgars den Feind, fällt Xanten binnen Stunden.«
Für wen sollten die Soldaten nun auch noch kämpfen? Einige der Generäle schlugen die gegenteilige Strategie vor – ein unerwarteter Angriff gegen den Feind an allen Fronten, bevor Siegfried erfuhr, dass Wulfgar tot war. Vielleicht war in einem letzten verzweifelten Ausbruch der Krieg zu gewinnen. Herrisch hatten sie über den Kopf der Prinzessin hinweg verhandelt, bis Xandria wütend das Schwert ihres Vaters auf den Tisch geworfen hatte. »Mit dem Tode Wulfgars ist das Kommando auf mich übergegangen, und mir wäre neu, dass diese Tatsache von euch zu ignorieren ist.«
Sie befahl, die Truppen einstweilen in ihren Stellungen zu belassen und im kleinen Zirkel die Beisetzung des Königs vorzubereiten. Dazu war es nötig, dem Volk die Wahrheit zu sagen – und den neuen Regenten zu präsentieren.
Regentin, in diesem Fall.
Das Siegel des Vaters hatten sie am Morgen gebrochen, wie es Pflicht war, und der Goldschmied bei Hofe arbeitete bereits an einem neuen Siegel für die Königin.
Normalerweise dauerte es zwischen einer Woche und einem Monat, bis der alte Monarch zu Grabe getragen war und ein neuer gesalbt wurde. Es hing zusammen mit Religion, mit Protokoll, mit Erbfolge. Im Falle von Sachsen
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