Die Rache Der Nibelungen
Siegfried nicht wiederkommt?
Große Trauer hatte sie übermannt, und kein freundliches Wort aus ihrem Kreis hatte das Herz ihr leichter machen können. Sie hatte Posten an allen Ecken des Reiches aufstellen lassen, um nach ihm auszuschauen, und Kundschafter zogen durch alle Lande, mit dem Versprechen auf Belohnung für die Entdeckung des Isländer Prinzen.
Die Königin hatte einen Herold nach Island gesandt, den dortigen Statthalter Eolind die Lage wissen lassen und beide Länder in Freundschaft verbunden. Doch was nutzte es, wenn ein Bettler die leere Börse mit einem anderen Bettler teilte? Um sie herum wurde die Lage heikler, und die Reiche, denen weder die Männer noch die Waffen zum Krieg fehlten, zogen ihre Heere zusammen und rasselten an den Grenzen von Franken und Sachsen mit Schild und Schwert. Xanten, dazwischengelegen wie eine Insel im Sturm, würde nur noch Durchmarschgebiet für Theudebalds Truppen sein, wenn nichts Wundersames geschah. Und vom Durchmarschgebiet zur Provinz Frankens war es dann ein kleiner Schritt.
Was für ein Hohn! Selbst wenn Siegfried zurückkehrte, würde er kein Reich mehr finden, das er erobern konnte!
Jeden Abend saß Xandria in ihrem Gemach, bürstete das Haar, bis es glänzte, rieb sich rosenduftende Paste auf die Brust und trug ein Nachtkleid von reizender Schönheit, bevor sie in die kühlen Laken stieg. So wie sie jeden Abend auf Siegfrieds Rückkehr hoffte, so wollte sie jeden Abend dafür bereit sein, ihn in Liebe zu empfangen.
Und eines Abends hörte sie ein Geräusch, spürte sie eine Gegenwart in ihrem Zimmer, und horchte in die Dunkelheit, wo leises Leder knarzte.
»Siegfried?«
Sie hauchte seinen Namen nur.
Das Mondlicht warf nur einen einzigen Strahl durch das Fenster, und darin fand sich die Gestalt, die Xandria kannte, doch die sie nicht erwartet hatte.
Es war die Walküre, die ihr einst den Prinzen versprochen hatte!
Nicht mit Feuer kam sie diesmal, ohne großes Drama war ihr Auftritt, als wolle sie sich heimlich anschleichen, als sei zu großes Aufsehen von Gefahr.
»Erst Waise, dann Königin«, sagte die Walküre leise, und in ihrer Stimme klang etwas Unterwartetes – Bedauern?
»Was ist mit Siegfried?«, flüsterte Xandria, zu keinem anderen Gedanken fähig.
»Es kam, wie ich es prophezeite – und doch so anders, als ich hoffte«, sprach die Kriegerin, als habe sie die junge Königin nicht gehört.
»Was ist mit Siegfried?«, wiederholte Xandria, und ihr Herz konnte sich nicht entscheiden, ob es doppelt schnell schlagen oder den Dienst ganz versagen sollte.
»Um Siegfried braucht Ihr Euch nicht zu sorgen«, kam die Antwort, doch im Ton lag keine Beruhigung.
Ein Schluchzen, aus Glück wie Erleichterung geboren, schüttelte Xandria. »Zu wissen, dass er lebt, ist genug freudige Botschaft.«
Die Walküre trat einen Schritt näher, und alle Kraft, die sie einst ausgestrahlt hatte, schien den starken Körper verlassen zu haben. »Es tut mir leid, Königin Xandria.«
»Was tut euch leid, Walküre?«, fragte Xandria. »Sagtet Ihr nicht gerade, Siegfried ginge es gut? Was darüber hinaus könnte mich sorgen?«
Odins Kriegerin strich der Königin fast liebevoll über die Wange. »Den Preis für Siegfrieds Trotz – zahlt Ihr.«
Xandria wollte die Hand an ihrem Gesicht halten, um der Walküre zu versichern, dass sie für ihren Geliebten jeden Schmerz zu erdulden bereit war, aber sie griff ins Leere, denn sie war bereits wieder allein.
Und es war in der Mitte dieser Nacht, dass die Horde Utgards kam, um Xanten zu strafen und Xandria zu holen ...
Es lag Schmerz darin, dem Schwert Nothung einen fremden Willen aufzwingen zu wollen. Jedes Mal, wenn Siegfried den Hammer auf die glühenden Bruchstellen schlug, spaltete die Wut der Waffe die Haut seiner Hand, fraß sie sich gierig in seinen Arm und riss an seiner Schulter. Es war, als wollte man einem Bären ein Stück Fleisch aus dem Maul zerren, ohne dass er mit kräftigen Kiefern zubiss.
Nothung wollte sich nicht unterwerfen – es musste unterworfen werden.
Wieland stand daneben und sah, wie Siegfried sich mühte. Er bewunderte den Starrsinn des Schwertes ebenso wie die Entschlossenheit seines Lehrlings, es zu brechen, bevor er es wieder zusammenschmiedete.
Dutzende, hunderte Male scheiterte der Prinz von Island an der Aufgabe. Die Bruchstelle der Klinge kühlte zu schnell ab, statt der Vereinigung brachen immer mehr Metallstücke heraus. Manchmal schien es, als schoben sich die Hälften auf dem
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