Die Rache Der Rose
Spieler komplizierter Spiele gegen die Götter war, nahm er doch immer noch ungefragt als gegeben an, daß man dem einen oder anderen Dämon eben Treue zu schwören hatte, um zu überleben.
Elrics Vision allgemeiner Macht, eines Platzes wie Tanelorn, der weder der Ordnung noch dem Chaos Treue schuldete, sondern nur sich selbst, war für seinen Vater undenkbar, der aus dem Kompromiß eine Religion und eine Philosophie gemacht hatte, wie auch seit Jahrtausenden seit Bestehen des gesamten königlichen Geschlechts, so daß der Kompromiß über alle anderen Tugenden erhoben und zur Grundlage des Glaubens wurde. Erneut wollte Elric seinem Vater sagen, daß es andere Ideen, andere Lebensweisen gebe, die weder übermäßige Gewalt noch Grausamkeit, weder Zauberei noch Eroberung beinhalteten, daß er über diese Vorstellungen nicht nur aus den Jungen Königreichen erfahren habe, sondern auch aus der Geschichte seines Volkes.
Dennoch wußte er, daß es sinnlos gewesen wäre. Selbst jetzt widmete Sadric all seine beträchtlichen Kräfte der Wiederherstellung der Vergangenheit. Er kannte keine andere Lebens- oder Todesweise.
Der Albinoprinz wandte sich ab, und es kam ihm in diesem Augenblick so vor, als habe er noch niemals solchen Kummer empfunden, selbst als Cymoril auf der Klinge seines Runenschwertes gestorben war, selbst als Imrryr in Flammen gestanden und er gewußt hatte, daß er zu einer wurzellosen Zukunft, einem einsamen Tod verurteilt war.
»Ich werde deinen Rosenholzkasten suchen, Vater. Doch wo soll ich damit beginnen?«
»Die Drachendame weiß es. Sie wird dich zu dem Reich bringen, in das der Kasten gebracht wurde. Darüber hinaus kann ich nichts vorhersagen. Vorhersage wird schwieriger. Alle meine Kräfte werden schwächer. Vielleicht mußt du töten, um den Kasten zu erringen. Viele Male töten.« Die Stimme klang jetzt schwach, wie trockene Zweige im Wind. »Oder Schlimmeres.«
Elric bemerkte, daß er taumelte. Er wurde jeden Augenblick schwächer. »Vater, ich habe keine Kraft.«
»Das Drachengift…« Aber sein Vater war fort und hinterließ nur den Eindruck seines gespenstischen Abgangs.
Elric zwang sich zu Bewegung. Jetzt schien jede umgestürzte Mauer ein unüberwindliches Hindernis zu sein. Langsam suchte er sich seinen Weg zwischen den Ruinen hindurch, zurück über Schutt und zerbrochene Mauern; über die kleinen Bäche und die mit struppigem Gras bestandenen Hügelterrassen zwang er sich mit einem Willen, der schierer Gewohnheit entsprang, zum Erklettern des letzten Hügels, wo als Umriß vor dem riesigen untergehenden Mond Narbenschnauze auf ihn wartete. Ihre Schwingen waren gefaltet, ihre lange Schnauze reckte sich, während ihre Zunge den Wind kostete.
Er erinnerte sich an die letzten Worte seines Vaters. Diese wiederum brachten ihm ein altes Kräuterbuch ins Gedächtnis zurück, in dem von der Destillation von Drachengift die Rede gewesen war: wie es den Schwachen Mut und den Starken Geschicklichkeit bringe, wie ein Mann fünf Tage und fünf Nächte nacheinander kämpfen könne, ohne Schmerzen zu empfinden. Und er erinnerte sich, wie laut diesem Kräuterbuch das Gift gesammelt werden sollte, also nahm er, bevor er auf den Drachen zurückkletterte, seinen Helm und fing in zischendem Stahl einen kleinen Gifttropfen auf, der, wie er wußte, sich abkühlen und zu einer Paste verhärten würde, von der ein oder zwei Krümel mit reichlich Flüssigkeit einzunehmen waren.
Doch für den Augenblick mußte er seine Schmerzen ertragen und gegen seine Schwäche ankämpfen, während der Drache ihn in die abweisende Schwärze oberhalb des Mondes trug; und ein einziger langer, langsamer Silberstrahl durchzuckte die Nacht, und ein einziger Donnerschlag durchbrach das schreckliche Schweigen des Himmels, und die Drachendame hob den Kopf und schlug mit den Flügeln und brüllte den unwahrscheinlichen Elementen eine plötzliche Herausforderung entgegen…
…während Elric die alten wilden Lieder der Drachenlords grölte und sich in sinnlicher Symbiose mit dem großen Reptil aus der Nacht in die blendende Pracht eines sommerlichen Nachmittages stürzte.
DAS DRITTE KAPITEL
Über die sonderbare Geographie eines unbekannten Reiches; über ein Treffen von Reisenden und von der Bedeutung der Freiheit.
Als ob ihr die zunehmende Schwäche ihres Reiters bewußt wäre, flog die Drachendame mit langen gleichmäßigen Schlägen ihrer Flügel und zog mit vorsichtiger Anmut durch das blaue Himmelsgleißen, bis
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