Die Rache Der Rose
treiben! Es ist unsere Politik, den Unglücklichen zu helfen, ebenso wie wir von den Erfolgreichen profitieren. Dies erscheint uns sowohl gerecht als auch vernünftig.«
»Und das ist es, Sir«, sagte Wheldrake beifällig. »Offensichtlich hegt Ihr liberale Überzeugungen. Man hört so viel Toryismus, wenn man durch das Rei… ich meine, durch die Welt reist.«
»Wir glauben an aufgeklärtes Eigeninteresse, mein Herr, ich glaube, das tun alle zivilisierten Menschen. Es liegt im Interesse der Gemeinschaft und der größeren umfassenden Gemeinschaft, sicherzustellen, daß alle auf höfliche und anständige Weise in die Lage versetzt werden, aus sich zu machen, was sie sich wünschen. Etwas zu essen, mein Herr? Etwas zu essen?«
Elric war sich des düsteren Blickes der Frau bewußt und stellte innerlich fest, daß er seit Cymorils Lebzeiten kein Gesicht gesehen hatte, das lieblicher oder entschlossener gewesen wäre. Ihre blauen Augen waren ruhig und selbstbewußt, sie kaute langsam, ihre Gedanken waren unergründlich. Und dann lächelte sie plötzlich, bevor sie ihre ganze Aufmerksamkeit der Mahlzeit zuwandte und Elric ein noch größeres Rätsel als zuvor aufgab.
Sie schöpften sich ihre tiefen Teller mit der Fleischsuppe voll, die einen köstlichen Duft verbreitete, setzten sich an den Tisch und aßen eine Zeitlang schweigend, bis die Frau schließlich das Wort ergriff. Unerwartete Wärme lag in ihrer Stimme, gepaart mit einer gewissen Herzlichkeit, die Elric anziehend fand.
»Welche Lüge bescherte euch diese freie Mahlzeit, Freunde?«
»Keine Lüge, Lady, eher ein Mißverständnis«, sagte Wheldrake diplomatisch, leckte seinen Löffel ab und dachte darüber nach, ob er noch einmal zum Kessel marschieren sollte.
»Ihr seid genausowenig Händler, wie ich es bin«, sagte sie.
»Das war das Hauptmißverständnis. Offenbar kann man sich hier keine andere Sorte von Reisenden vorstellen.«
»Offenbar. Und Ihr seid erst seit kurzem in diesem Reich. Zweifellos über den Fluß gekommen.«
»Vom Weg weiß ich nichts«, sagte Elric, immer noch auf der Hut.
»Aber Ihr beiden sucht natürlich die drei Schwestern.«
»Das scheint wohl jeder zu tun«, sagte Elric; sollte sie glauben, was sie wollte. »Ich bin Elric von Melnibone, und dies ist mein Freund Meister Wheldrake, der Dichter.«
»Von Meister Wheldrake habe ich gehört.« In der Stimme der Dame lag vielleicht so etwas wie Bewunderung. »Doch Ihr, mein Herr, seid mir unbekannt. Man nennt mich die Rose, und mein Schwert heißt Schneller Dorn, während mein Dolch Kleiner Dorn genannt wird.« In ihrer Stimme lagen Stolz und Trotz, und es war klar, daß sie damit eine Warnung aussprach, doch was sie von ihnen befürchtete, vermochte Elric nicht zu erahnen. »Ich reise über die Zeitströme, um meine Rache zu finden.« Und sie lächelte in ihre leere Schüssel, als ob sie in selbstironischer Verlegenheit über ein peinliches Geständnis befangen sei.
»Und was bedeuten die drei Schwestern für Euch, meine Dame?« fragte Wheldrake mit einem charmanten Zwitschern in der Stimme.
»Sie bedeuten mir alles. Sie haben die Mittel, mich der Auflösung all dessen zuzuführen, wofür ich seit dem Ablegen meines Schwures gelebt habe. Sie eröffnen mir die Gelegenheit zu Befriedigung, Meister Wheldrake. Nicht wahr, Ihr seid doch der gleiche Wheldrake, der ›Der Traum des Orientalisten‹ geschrieben hat.«
»Nun, meine Dame…«, erwiderte er mit einigem Unbehagen, »…ich war gerade frisch in einer neuen Zeit eingetroffen. Ich mußte mir meinen Ruf von Grund auf neu erschreiben. Und der Orient war damals heftig in Mode. Allerdings, als reifes Werk betrachtet…«
»Es ist außerordentlich sentimental, Meister Wheldrake. Aber es half mir durch ein oder zwei schlimme Stunden. Und ich mag es immer um seiner selbst willen. Danach kommt ›Das Lied der Iananthe‹, natürlich Eure beste Arbeit.«
»Himmel, Madam, das habe ich noch nicht einmal fertig geschrieben! Es existiert nur in bloßen Entwürfen in Putney.«
»Es ist ausgezeichnet, mein Herr. Mehr sage ich nicht darüber.«
»Dafür bin ich dankbar, Madam. Und…«, er hatte sich wieder gefangen, »… auch für Euer Lob. Für meine orientalische Periode habe ich ebenfalls eine gewisse Schwäche. Habt Ihr vielleicht den Roman gelesen, der vor kurzem veröffentlicht wurde - ›Manfred oder Die Gentleman-Huri‹?«
»Gehörte noch nicht zu Eurem Werk, als ich das letzte Mal zur Ruhe kam, mein Herr.«
Und während
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