Die Rache Der Wanderhure
an solche Ausdrücke erinnerst«, rief Marat aus.
Michel nickte verblüfft, doch als er in sich hineinhorchte, fand er nur gähnende Leere vor. Ihm kamen zwar immer wieder Ausdrücke aus seinem früheren Leben in den Sinn, doch wusste er nicht, wo er diese gelernt hatte, und bei den meisten war ihm nicht einmal klar, was sie bezeichneten.
»Nein, es ist nicht anders als vorher!« Es klang traurig, denn er hatte das Gefühl, etwas Unwiederbringliches verloren zu haben.
Um ihn aufzumuntern, stupste Marat ihn an. »Wenn du es schneller haben willst, kannst du die Huren dort fragen. Ich gebe dir Geld, damit du sie bezahlen kannst.« Mit den Worten schob er Michel ein paar Münzen zu und deutete auf die drei Hübschlerinnen.
Michel schüttelte den Kopf. »Nein, ich … Dazu fühle ich mich noch etwas zu schwach. Aber beantworte mir eine Frage: Wer ist die junge Dame dort am großen Tisch? So wie der Wirt um sie herumwieselt, muss sie eine gewisse Bedeutung hier haben.«
»Eine gewisse Bedeutung ist gut!«, antwortete Marat lachend. »Aber pass auf dich auf! So hoch solltest du nicht greifen wollen, mein Freund. Die Dame ist für dich unerreichbar.«
»Warum?« Aus einem Grund, der ihm selbst nicht bewusst war, fühlte Michel sich den Rittern und auch der jungen Dame ebenbürtig.
»Das, mein Freund, ist Janka Sokolna, die Tochter des Grafen und sein einziges Kind. Damit ist sie seine Erbin. Sie ist verwöhnt, impulsiv und unbeständig. Ich schätze, sie würde mit dir spielen und dich dann fallen lassen wie einen heißen Knödel. Außerdem würdest du dir mindestens einen Herrn in ihrer Begleitung zum Feind machen. Ritter Roland hofft nämlich, sie für sich gewinnen zu können und auf diese Weise der Nachfolger des Grafen zu werden.«
»Sie ist gewiss leidenschaftlich und hingebungsvoll. Zwar sieht sie nicht ganz so gut aus wie mein ›Renntier‹, aber sie gefällt mir trotzdem!«
»Es heißt ›Rentier‹! Mit einem lang gesprochenen e«, wies Marat ihn zurecht.
Michel hörte nicht mehr zu, denn er war bereits aufgestanden und trat an den großen Tisch. Dort verbeugte er sich vor der Tochter des Grafen und sprach sie an. »Verzeiht meine direkte Art, aber ich bin mit den höfischen Sitten nicht vertraut.«
Während Janka ihn interessiert musterte, warf Ritter Roland ihm einen bitterbösen Blick zu.
»Wer bist du, dass du es wagst, Komtesse Janka anzusprechen wie eine Magd?«
»Ich bin ein Mann ohne Vergangenheit, der auf eine gute Zukunft hofft«, erklärte Michel sanft, ohne seinen Blick von Janka zu lösen. Sie war schön und übte einen eigenartigen Reiz auf ihn aus. Außerdem mochte er keine Männer wie diesen Roland, die sich aufplusterten und so taten, als wäre eine Frau ihr Eigentum.
Der Ritter hob hochmütig den Kopf. »Du bist also der Soldat, den Marat aus dem Fluss gefischt hat. Deiner Sprache nach bist du ein Deutscher, ein Feind.«
»Ich mag ein Deutscher sein, aber gewiss kein Feind«, antwortete Michel, noch immer lächelnd.
»Wir werden dich das heißen, was du bist, ein Deutscher, also ein ›Němec‹. Was meint Ihr dazu?«, fragte Roland seine Begleiter.
Janka Sokolna musterte zuerst ihren besitzergreifenden Verehrer, dann den Fremden und lächelte schließlich spöttisch.
»Also gut, nennen wir ihn ›Ritter Němec‹.«
Für einen Augenblick traf Michels Blick den ihren, und er glaubte noch einmal Marats Warnung zu hören, dass sie mit ihm spielen und ihn dann fallen lassen würde. Dieses Spiel hatte sie bereits begonnen, und er beschloss, vorerst darauf einzugehen.
»Verzeiht, Komtesse, doch ich weiß nicht, ob ich ein Ritter bin.«
»Das lässt sich leicht herausfinden. Wie wäre es mit einem kleinen Wettkampf?«, fragte Roland ihn provozierend.
»Aber ich fühle keinen Groll gegen Euch.« Michel wollte nicht sagen, dass er sich nach seiner Verwundung nicht kräftig genug für einen ernsthaften Waffengang fühlte, und drehte sich zu Marat um, in der Hoffnung, von ihm Unterstützung zu erhalten.
Nun begann Janka zu sticheln. »Seid Ihr etwa ein Feigling, Ritter Němec?«
Marat drehte dem kleinen Biest in Gedanken den Hals um, denn mit diesen Worten hatte sie es seinem Schützling unmöglich gemacht, Ritter Rolands Herausforderung abzulehnen. Seine Hand fiel schwer auf Michels gesunde Schulter, und er zog ihn ein wenig beiseite, um unter vier Augen mit ihm reden zu können.
»Da es nicht anders geht, müssen sie lernen, wer du bist!«
»Aber wer bin ich?«, fragte Michel
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