Die Rache des Kaisers
Nachrichten suchst du, wenn du nicht fremde Botschaften beförderst?«
»Nachrichten über einige Männer.«
Er winkte mit dem Bein eines Fasans. »Männer? Nun ja, Männer; auf dem Weg von Spanien nach Paris kommen viele durch Poitiers. Sag mir die Namen; vielleicht kenne ich sie, und wenn nicht ich, dann vielleicht mein Freund Grandgousier.«
»Wer ist das? Müßte ich ihn kennen?«
»Ah, Grandgousier ist immer da, wo ich gerade weile. Wenn mir die Worte fehlen, wispert er sie mir von innen
ins Ohr, und wenn ich etwas nicht weiß, erfindet er es für mich.«
Ich lachte. »Gut, so einen Freund zu haben. Dann frag ihn doch, ob er von den Soldaten Alonso Zamora, Jérôme de Castelbajac und Harry Symonds etwas weiß, vielleicht auch von einem geheimnisvollen Bankherrn, der wahrscheinlich François heißt, wie du, und dessen Familienname die französische Fassung des italienischen Mazzini sein könnte. Ah ja, und dann ist da noch ein päpstlicher Legat namens Mantegna.«
Der Sekretär legte den abgenagten Fasanenschenkel beiseite und hob die Brauen. »Deine Soldaten kenne ich nicht, auch Grandgousier weiß nichts von ihnen, aber die beiden anderen … Merkwürdig.«
»Was ist merkwürdig?«
»Unser edler König führt ja nicht nur Krieg in Italien; er sammelt auch Geld, um es an seine Freunde in Ungarn zu schicken. Nun ja, weniger seine Freunde als die Feinde seines Feindes, des Kaisers Karl. Auch die Orden und die Bistümer sollen etwas beitragen je nach Vermögen, und als Sekretär habe ich mit einem Bankherrn namens François Massard Briefe gewechselt, der mich vor Monaten aus Lyon um Eile bei der Geldanweisung bat, da er mit dem Legaten Mantegna bald aufbrechen werde.«
»Wohin aufbrechen?« sagte ich verblüfft. »Nach Ungarn etwa?«
»Das weiß ich nicht; dazu müßte ich Grandgousier befragen.«
Über Lyon, wo wir nichts Neues erfahren konnten, reisten wir nach Marseille, und von dort über Genua nach Venedig, immer bemüht, jene Gebiete zu meiden, in denen Truppen der einen oder anderen Seite lagen oder schweiften. Kurz
vor Weihnachten gelangten wir in den Herrschaftsbereich Venedigs. Wie üblich war es den Herren der Serenissima gelungen, den Krieg um ihre Ansprüche auf Mailand außerhalb der eigenen Grenzen zu führen.
Nun folgt eine Zeit der Schmach und der Schändlichkeiten, über die ich mich nicht auslassen will. Ich werde den Beginn andeuten. Dem jungen Mann, der ich damals war, mag von heute aus ein anderer Nachsicht zukommen lassen; ich selbst mag mir die Erinnerungen, die mich bis heute begleiten, nicht vergeben.
Zwei Tage vor Sylvester erreichten wir an einem dunklen Abend Mestre. Von einem Teil der römischen Beute, an der Blut und Entsetzen hafteten, hatte ich für Laura bei den Goldschmieden von Lyon einen Goldring mit Smaragd und eine Goldkette erstanden. Anderthalb Jahre lang hatte, so oft ich an sie dachte, mein Herz schneller geschlagen; als ich mich ihrem Haus bei der Papiermühle näherte, hämmerte es, als wolle es bersten.
Das andere Haus stand leer; Karl und Avram begaben sich nach der Begrüßung und einem schnellen Nachtmahl dorthin. Ich blieb bei Laura, ertrank in ihrem Mund und vergrub mich in ihrer Umarmung. Die köstlichste und wildeste Nacht, in der über und um uns alle Gestirne wirbelten. Mehrfach erschöpft kniete ich lange nach Mitternacht neben dem Bett und reichte ihr den Ring und die Kette. Sie nahm sie und weinte.
»So häßlich, daß du Tränen vergießen mußt, Liebste?«
Sie schüttelte stumm den Kopf.
»Immer habe ich an dich gedacht, und überall habe ich dich geliebt«, sagte ich leise.
»Bist du gekommen, um zu bleiben, Liebster?«
Ich seufzte. »Eine Weile. Bis zum Frühjahr. Dann …«
»Die Rache ist unvollendet?«
»Ja.«
Sie legte den Schmuck aufs Laken und schlug die Hände vors Gesicht. »Dann«, sagte sie dumpf, durch die Finger, »werde ich nicht absagen.«
»Was absagen?«
»Am dritten Tag des neuen Jahres werde ich heiraten.«
Ich ließ den Schmuck als Hochzeitsgeschenk liegen. Dann ging ich durch die Nacht hinüber zum anderen Haus. Am Morgen brachen wir auf.
Damals wußte ich es nicht, heute weiß ich, daß ich in der nächsten Zeit nicht viel vom Leben hielt und deshalb auch das Leben anderer gering achtete. Avram und Karl folgten mir. Es ist möglich, daß sie mich zuweilen fürchteten, aber sie blieben bei mir. Der Besitz von Reichtümern hätte uns Muße und Annehmlichkeiten gewährt, doch war alles schal,
Weitere Kostenlose Bücher