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Die Rache des Kaisers

Titel: Die Rache des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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außer dem Blut auf der Klinge, dem Sausen der Pfeile, scharfen Ritten und dem Getöse des Kampfs.
    Wir verdingten uns. Bei den Österreichern, die an der blutigen Krainer Grenze Aufstände niederschlugen, und bei ihren Gegnern; wir ritten nach Ungarn, auf der Suche nach Taten und nach den Männern namens Mantegna und Massard; wir kehrten zurück nach Italien, mieden Venedig und zogen mit Kaiserlichen gegen Franzosen und Eidgenossen, fuhren auf einem Kriegsschiff übers Meer, um für den Kaiser berberische Seeräuber zu bekämpfen. Wieder an Land, befiel mich in den Arnosümpfen ein langes Fieber, in dessen Würgegriff ich nüchtern sah, was ich - denn die beiden anderen folgten nur - in fieberlosem Rausch getan hatte; aber als das Fieber wich, kehrte der Rausch zurück, oder besser, die Gier
nach dem Rausch. In einigen kühlen klaren Stunden sah ich in Florenz Meister Michelangelo di Lodovico Buonarroti Simoni dabei zu, wie er das marmorne Grabmal einer reichen Eitelkeit gestaltete, deren Namen ich vergessen habe, falls ich ihn je wußte, und ich dachte an Bücher und Bilder, Musik und Wein statt an Sättel und Klingen. Aber in dem langen geheimen Gang der - vorübergehend verbannten - Medici, der vom Rat über den Ponte Vecchio zu ihrem Palast führt, begriff ich, daß der mit kostbaren Kunstwerken geschmückte Korridor ein Verlies war, daß die wunderbarste Bibliothek ein Kerker ist, der das Leben aussperrt. Das, was mir als Leben galt. So zog ich hinaus, zurück in jenen anderen Kerker aus Rausch und Wein und Blut, Schänken, Freudenhäusern und Schlachtfeldern.
    Tage, Wochen, Monde. Im späten Winter 1529 erzählte ein alter Soldat, ein Schweizer, in einem Dorf an der Grenze zu Savoyen, ein Trupp spanischer Soldaten habe vor vielen Tagen in der Nähe gelagert, auf dem Weg nach Norden, in die Niederlande, und bei ihnen sei einer gewesen, den die anderen Don Alonso riefen und der eine eiserne Hand hatte. Aber die Wege waren verschneit und vereist; erst im Mai erreichten wir Köln. Dort hörten wir, am Ufer der Feste Zons liege ein Schiff namens Miralda . Sampers Leute hießen uns willkommen, zumal wir genug Geld hatten, um ihre Gastfreundschaft zu würzen.
    Nach ein paar Tagen zogen wir weiter. Ich war überzeugt, die Miralda und ihre Unterhalter niemals wiederzusehen; sie waren nicht Teil dessen, was den Rausch ausmachte. Ich konnte weder wissen, daß der Rausch bald enden sollte, noch konnte ich ahnen, daß keine zwei Jahre später an Bord der Miralda meine lange Rache ihr verblüffendes Ende finden würde.

    In der Nähe von Breda geschah es dann. Wir fragten uns von einer spanischen Garnison zur nächsten weiter; immer hatte jemand Zamora gesehen oder etwas über ihn gehört, aber nie nahm das Gespenst greifbare Gestalt an.
    Wir hatten uns in einer Herberge vor dem Ort niedergelassen. Karl und ich versorgten die Pferde, während es diesmal Avram war, der sich umhören sollte. Als wir später bei Bier, Brot und Würsten im Schankraum saßen, kehrte er zurück, mit einem schrägen Lächeln um den Mund und einem zusammengerollten Papier in der Rechten.
    »Was ist das?« sagte ich.
    »Wahrscheinlich ein neues Gebet um unser Seelenheil«, knurrte Karl.
    »Haben wir Seelen?«
    »Ab jetzt vielleicht wieder.« Avram setzte sich und schob mir das Papier hin; dann langte er nach meinem Becher und trank einen großen Schluck.
    »Was ist das?« sagte ich noch einmal.
    »Lies.«
    Ich leckte mir die von Würsten fettigen Finger und wischte sie an meinem Wams ab, ehe ich nach dem Papier griff.
    »Die Statthalterin der Niederlande schickt ihrem Neffen in Wien Verstärkung gegen die Türken«, sagte Avram, eher an Karl als an mich gewandt. »Das ist eine Abschrift der Offiziersliste mit den vorgesehenen Soldbeträgen. Hat mich drei Gulden gekostet.«
    »Ist es das wert?« Karl runzelte die Stirn.
    »Das Hundertfache.«
    »Hah.«
    Ich entrollte und las. Vier Fähnlein, zusammen tausenddreihundertsechzig Mann, unter der Führung des Capitán Luis de Ávalos. Vereinbart für die Dauer des Feldzugs als
monatliche Besoldung: Der Hauptmann vierzig rheinische Gulden, die vier Fähnriche je zwanzig, Scharführer zehn, Arkebusiere fünf, Gemeine vier, Profoß und Feldwebel je sechzehn Gulden. Es folgten die Namen der Offiziere.
    Einer der Scharführer war Alonso Zamora.
    Ich ließ das Papier sinken und starrte die beiden Freunde an. »Morgen früh reiten wir«, sagte ich, »nach Süden - nach Wien.«
    Avram nickte; Karl blinzelte und

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