Die Rache des Marquis
»Warum bist du nicht zornig? Caine meinte, du würdest dich sträuben. Bist du gar nicht wütend?«
»Nein.«
»Du magst ihn doch?«
»Ja.«
»Und? Irgendwas ist doch los mit dir.«
»Ich habe Angst, Onkel.«
Dieses Geständnis erstaunte ihn dermaßen, daß er nur flüstern konnte. »Nein …«
»Ja.«
Harry schüttelte den Kopf. »Du hast dich doch nie gefürchtet.« Er setzte sich neben sie aufs Bett und legte einen Arm um ihre Schultern. »Warum jetzt?«
Sie hatte sich schon oft gefürchtet, aber das konnte sie ihm nicht sagen, denn sonst würde er glauben, er hätte seine Pflichten ihr gegenüber vernachlässigt. Und so erwiderte sie: »Ich muß meine Arbeit aufgeben.«
»Dafür ist es auch höchste Zeit, wo ich nun in den Ruhestand trete. Vor meinen Männern hab’ ich’s verheimlicht, aber meine Augen sind immer schlechter geworden, und ein blinder Pirat taugt nichts.«
»Wer soll die Leute jetzt befehligen?«
»Nathan. Er will die Emerald haben. Immerhin gehörte sie seinem Vater. Sicher wird er einen großartigen Piraten abgeben, Mädchen. Er hat gelernt, richtig gemein zu sein.«
»Ja, er wird bestimmt ein wunderbarer Pirat. Aber – Onkel Harry, ich kann unmöglich die Frau werden, die Caine sich wünscht.«
»Genau die bist du.«
»Ich würde so viele Fehler begehen.« Jade war den Tränen nahe, beherrschte sich aber ihrem Onkel zuliebe.
»Von den Dingen, die eine gute Ehefrau können muß, verstehe ich nichts. Ich weiß nicht einmal, wie man mit Nadel und Faden umgeht.«
»Das stimmt.« Seufzend erinnerte er sich an ihren Versuch, seine Socken zu flicken. Die hatte sie an ihr Kleid genäht.
»Und ich kann nicht tanzen«, jammerte sie. »Alle feinen Damen können das.«
»Du wirst es lernen, wenn du nur willst.«
»O ja, ich wollte immer …«
»Was?«
»Irgendwohin gehören.«
Harry begriff nicht, was sie meinte. »Hätte ich dich Lady Briars überlassen sollen? Sie hätte dich gern zu sich genommen und kämpfte verbissen um dich. Ihretwegen schlichen wir uns sofort nach dem Begräbnis deines Vaters davon. Ich dachte, sie würde uns die Behörden auf den Hals hetzen. Wie du weißt, bin ich nicht dein richtiger Vormund. Aber dein Papa hatte mich beschworen, dich aus England wegzubringen.«
»Und du hast Wort gehalten. Das war sehr ehrenwert.«
»Und jetzt wünschst du, ich wäre nicht so ehrenwert gewesen?«
Jade schüttelte den Kopf. Zum erstenmal in all den Jahren spürte sie Harrys Verletzlichkeit. »Ein Leben ohne dich kann ich mir nicht vorstellen, und ich habe mir niemals gewünscht, daß die Dinge anders verlaufen wären. Du liebst mich wie eine Tochter. Sicher, Lady Briars hätte mir alle damenhaften Fertigkeiten beigebracht, aber sie hätte mich nicht so geliebt wie du. Außerdem hast du mich etwas viel Wichtigeres gelehrt – wie man überlebt.«
»O ja, das hab ich getan«, pflichtete er ihr grinsend bei, und seine Laune besserte sich sofort. »Aber du bist ja auch ein Naturtalent, die geborene Diebin und Lügnerin. Du machst mich sehr stolz, Mädchen.«
»Danke, Onkel.« Sein Lob ließ sie erröten. Harry pflegte mit Komplimenten zu sparen, und wenn er so etwas sagte, meinte er es ernst.
Seine Miene wurde wieder düster, als er sich ihrer betrüblichen Bemerkung entsann. »Vorhin erklärtest du mir, du wolltest irgendwohin gehören.«
»Das – das sollte nur heißen, daß ich eine gute Ehefrau sein möchte«, log sie.
»Dann hast du dich aber etwas unklar ausgedrückt.« Erleichtert atmete er auf. »Und ich wollte schon immer Opa werden.«
Jade wurde rot. »Ich weiß auch nicht, wie man Babys kriegt.«
»Die meisten Frauen wissen das erst, wenn’s soweit ist. Und jetzt sag mir – liebst du Caine? Er hat’s jedenfalls behauptet.«
Sie wich der Frage aus. »Und wenn er mich eines Tages satt hat? Dann wird er mich verlassen.«
»Niemals.«
»Wenn wir lange genug verlobt sind, wird er vielleicht merken, welch ein Fehler es war, um mich anzuhalten. Und falls er’s nicht merkt, könnte ich in dieser Zeit all das lernen, was von einer Ehefrau verlangt wird …«
Harry fiel ihr ins Wort. »Hör mal, diese lange Verlobung …«
»Das ist der einzige Ausweg. Ich bestehe auf einem Jahr. Damit ist Caine sicher einverstanden.«
Beglückt über ihren Entschluß sprang sie auf und stürmte aus dem Zimmer. Harry rückte seine schlechtsitzende Brille auf der Nase zurecht, packte die Rosen und folgte ihr. »Warte!«
»Ich muß sofort mit Caine reden!« rief sie
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