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Die Rache des Samurai

Die Rache des Samurai

Titel: Die Rache des Samurai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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Ihr versteckt Euch vor irgend jemand. Ich kann Euch helfen – aber nur, wenn Ihr die Wächter fortschickt.«
    Noch immer keine Antwort. Dann wich der jüngere rōnin einen Schritt zurück. »Er ist ein Mann des Shōgun – wir dürfen ihn nicht töten!« stieß er hervor. »Es ist mir egal, wieviel sie uns bezahlt, daß wir sie schützen. Ich möchte nicht ins Gefängnis geworfen oder geköpft werden!«
    »Sei still!« rief sein Bruder. »Willst du wieder auf den Straßen betteln?« Er wandte sich Sano zu. »Verschwindet, oder ich hacke Euch in Stücke.«
    Er sprang vor, das Schwert erhoben – und erstarrte in der Bewegung, als die Frau mit leiser, aber fester Stimme sagte: »Hört auf … es ist gut. Er darf bleiben.«
    Die Wächter zuckten die Achseln und verschwanden im Haus. Erleichtert schob Sano sein Schwert in die Scheide und schaute zum Pavillon hinüber.
    Sie stand im Eingangsbogen, eine kleine, dicke Frau in einem leuchtend dunkelblauen Kimono, der mit Schmetterlingen bedruckt war. Sanos anfänglicher Eindruck von Schönheit und Jugend schwand rasch, als er zu der Frau hinüberging. Ihr Haar, das an den Seiten hochgesteckt war und im Nacken tief über den Rücken hing – eine Frisur, wie eine junge Dame sie trug –, war von einem unnatürlichen, stumpfen Schwarz: gefärbt. Das kräftige Wangenrot und die dicke Schicht weißen Gesichtspuders konnten die Tränensäcke unter den Augen und die schlaffen Wangen nicht übertünchen. Die kräftigen Farben ihrer mädchenhaften Kleidung hoben ihr Alter nur hervor, wie auch die dicke Taille, das Doppelkinn und die Lücken in der oberen Reihe der geschwärzten Zähne. Sanos unterschwelliges Mißtrauen gegenüber Aoi wurde von Dankbarkeit verdrängt, als er Frau Shimizu betrachtete und voller Verwunderung Aois Beschreibung der geheimnisvollen Zeugin bestätigt sah: eine fette, alternde Frau, die sich verzweifelt an die Jugend klammerte.
    » Sōsakan-sama .« Frau Shimizu verbeugte sich und blickte unter den gesenkten Lidern scheu zu Sano auf, doch ihr Lächeln war angespannt und ihre Stimme müde und resigniert. »Ich habe Euch bereits erwartet … Ich bin froh, daß Ihr endlich gekommen seid.«

    »Ich bin zum Zōjō-Tempel gegangen, weil mein Mann mich nicht mehr liebt«, sagte Frau Shimizu.
    Offensichtlich tief in Gedanken, hatte sie Sano nicht aufgefordert, mit ihr ins Haus zu gehen. Statt dessen schlenderte sie ziellos durch den Garten, und Sano blieb ihr auf den Fersen.
    »In den letzten zehn Jahren hat er mich nicht einmal mehr angeschaut … oder ein liebevolles Wort zu mir gesagt.« Sie sprach bedächtig, legte immer wieder längere Pausen ein und ließ ihre Worte leise ausklingen. Offenbar versuchte sie, die Sprechweise einer adeligen Samurai-Dame nachzuahmen. Nun senkte ihre Stimme sich zu einem Flüstern herab. »Und wie sehr ich ihn auch angebettelt habe, er wollte das Bett nicht mehr mit mir teilen …«
    Sano war von diesem freimütigen Geständnis peinlich berührt, erkannte aber, daß Frau Shimizu dringend jemanden brauchte, dem sie ihren Kummer anvertrauen konnte. Wenn er ihr bloß zuhörte, würde er mehr erfahren als durch eine förmliche Befragung. Taktvoll nahm er den Blick von ihrem traurigen, von Schmerz gezeichneten Gesicht und ließ ihn über den Garten schweifen.
    Wie Frau Shimizu, mußte auch der Garten einst schön gewesen sein. Neben einem Teich stand ein großer blühender Kirschbaum; kunstvolle, aus Stein gehauene Lampen und Bänke zierten eine Laube inmitten üppiger Pflanzen. Doch dieses Paradies war vernachlässigt und verwahrlost. An den Mauern der Häuser wucherte wilder Wein. Wie schwarze Knochen ragten tote Äste aus dem Kirschbaum hervor. Auf dem schleimig-grünen Wasser des Teiches schwammen verrottende Blätter und Blüten. Die Sträucher waren nicht beschnitten; Bänke und Lampen waren von einer Schicht aus Moos und Flechten bedeckt; Blumenbeete und Rasenflächen erstickten in Unkraut. Wenn man den Garten Mimakis und O-tamas als ein Denkmal bleibender Liebe betrachtete, dann war dieser Garten ein Sinnbild des Verlusts der Liebe.
    Als würde Frau Shimizu Sanos Gedanken erahnen, sagte sie: »Seht Ihr diesen Garten?« Ihre leise Stimme schwankte vor Schmerz. »Einst haben sich Gärtner, die mein Mann beschäftigt hat, um seine Schönheit gekümmert. Als wir noch jung waren … bevor ich sieben Kinder zur Welt gebracht hatte … haben wir hier viele herrliche Stunden verbracht.
    ›Ich kann es nicht ertragen, von dir getrennt

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