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Die Rache des schönen Geschlechts

Titel: Die Rache des schönen Geschlechts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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noch, um wie viel Uhr der Brief, den du vorhin unter dem Tisch gefunden hast, gestern Früh angekommen ist?«
    »Ja, Dottori. Das war Schnellpost. Extrapost. Da war's kurz nach neun.«
    »Hast du ihn mir sofort gebracht, als er ankam?«
    »Natürlich, Dottori. Sofortestens.«
    Und leicht indigniert fügte er hinzu:
    »Ich lass doch die Sachen nicht warten, die für Sie sind.«
    Er hätte es also sowieso nicht geschafft. Der Brief war mit Verspätung angekommen, er hatte drei Tage für eine Strecke von weniger als einem Kilometer gebraucht, denn so weit war das Postamt vom Kommissariat entfernt. Und so was nannte sich Eilbrief! Auf dem Umschlag stand, ebenfalls in  Druckbuchstaben: attilio siracusa, via madonna del  rosario 38. Er rief bei Nicolo Zito an. Der sei noch nicht im Büro, sagte die Sekretärin. Montalbano versuchte es bei ihm zu Hause. Zitos Frau Tanine teilte ihm mit, ihr Mann sei zum Glück schon um sieben Uhr morgens gegangen.
    »Wieso zum Glück?«
    »Weil er Zahnschmerzen hatte und das ganze Haus wach gehalten hat. Wir kamen uns vor wie an Weihnachten«, erklärte Tanine.
    »Und warum geht er nicht zum Zahnarzt?«
    »Weil er Angst hat, Salvo. Der kriegt einen Herzschlag, wenn er den Bohrer nur sieht.«
    Er verabschiedete sich und legte auf. Dann rief er nach Catarella und beauftragte ihn, die Zeitung zu kaufen, die der Provinz Montelusa täglich zwei oder drei Seiten widmete.
    Er fand die Meldung sofort:
    TÖDLICHER ARBEITSUNFALL
    In der zwischen Vigata und Montelusa gelegenen Ortschaft Tonnarello ist gestern Morgen um sieben Uhr dreißig der albanische Bauarbeiter Pashko Puka, 38, mit regulärer Arbeitserlaubnis bei der Firma Santa Maria von Alfredo Cor so beschäftigt, vom Gerüst eines Neubaus gestürzt. Seine Arbeitskollegen, die sofort zur Stelle waren, konnten leider nur noch feststellen, dass jede Hilfe für Puka zu spät kam. Die Staatsanwaltschaft hat eine Untersuchung eingeleitet.
    Das war alles. Einschließlich Überschrift neun Zeilen, rechts unten am Ende der letzten Spalte. Die Seite verströmte bodenlose Gleichgültigkeit gegenüber diesem unglückseligen Tod, der einfach unterging zwischen den  Nachrichten über die jeweilige Krise in der Gemeinde Fela und der Gemeinde Poggio, der Ankündigung, Wasser werde nicht mehr alle vier, sondern nur noch alle fünf Tage ausgegeben, den Vorbereitungen für das Fest von San Isidoro in Gibilrossa. Es war eine sehr gute Idee von Nicolo Zito gewesen, die Bilder der Männer zu zeigen, die bei der Arbeit ums Leben gekommen waren. Aber wie viele Zuschauer hatten sie sich wohl angesehen und wie viele hatten umgeschaltet, um ihre Augen mit dem Hintern einer Tänzerin zu erfreuen oder sich die Ohren mit dem Gewäsch der Machthaber in der neuen Regierung zulabern zu lassen?
    Mimi Augello war noch nicht da. Der Commissario rief Fazio zu sich und zeigte ihm die Meldung. Fazio las. »Der arme Kerl!«, sagte er.
    Wortlos reichte Montalbano ihm den anonymen Brief. Fazio las.
    »Scheiße!«, sagte er.
    Dann hatte er den gleichen Gedanken wie Montalbano. »Wann ist der Brief denn angekommen?«, fragte er finster. »Gestern Früh. Und ich habe ihn nicht aufgemacht. Aber auch wenn ich ihn gelesen hätte, hätte ich nichts machen können. Es war bereits passiert.«
    »Und was tun wir jetzt?«, fragte Fazio. »Vielleicht weißt du das: Tonnarello ist doch näher an Montelusa als an Vigata. Uns wurde dieser Unfall, oder was es auch war, nicht gemeldet, deshalb würde ich gern wissen, wer eingeschaltet wurde.«
    »Dort in der Nähe ist ein Carabinieri-Posten, Commissario. Er wird von Maresciallo Verruso kommandiert. Ein tüchtiger Mann. Die haben sich todsicher an ihn gewandt.«
    »Kannst du dich trotzdem informieren?« »Dauert zwei Minuten, ich geh schnell telefonieren.«
    Nur zum Zeitvertreib, denn er war sicher, dass der Absender auf dem Brief falsch war, schlug Montalbano das Telefonbuch auf.
    Es gab einen einzigen Attilio Siracusa, und der wohnte in der Via Carducci. Er wählte die Nummer. »Scheiße, welcher Scheißarsch ruft da schon wieder an, verdammte Scheiße?«
    Etwas dürftig, der Wortschatz des Signor Attilio Siracusa, aber zweifellos von einer gewissen Ausdruckskraft. »Hier spricht Commissario Montalbano.«
    »E chi minchia minni futti a mia - na und, mir doch scheißegal!«
    Montalbano beschloss, mit gleicher Waffe zurückzuschlagen.
    »Halt's Maul, Siracusa, und beantworte meine Fragen, sonst komme ich und reiß dir die Eier ab.«
    Die Stimme von

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