Die Rache des schönen Geschlechts
wieder loszuwerden, der ihn nach dem paradiesischen Zwischenspiel beim ersten Schritt in die Welt befallen hatte, entschloss er sich zu seinem üblichen Spaziergang auf der Mole bis vor zum Leuchtturm. Dort setzte er sich auf seinen gewohnten Felsen, steckte sich eine Zigarette an und begann nachzudenken.
Gut, losgegangen war die ganze Geschichte mit einem anonymen Brief und der Ankündigung einer Mordtat, die dann auch pünktlich geschah. Es war klar, dass der Mörder nicht die Polizei provozieren wollte, nach dem Motto >Legt mir das Handwerk, wenn ihr dazu imstande seid<, nein, der anonyme Verfasser des Briefes war nicht nur nicht der Mörder, sondern hatte sogar versucht, den Mord zu verhindern. Er hatte Pech gehabt, sein Brief war nicht rechtzeitig angekommen. Aber noch viel mehr Pech hatte letztlich dieser Albaner, der arme Puka. Aus dem er, Montalbano, nicht schlau wurde. Und warum nicht? Bloß weil er zur Fußpflege ging? Aber das war ein rassistischer Gedanke! mussten Albaner unbedingt hässlich, schmutzig und böse sein? Nein, ihn hatte der Umstand stutzig gemacht, dass ein Bauarbeiter, ob Albaner oder Finne, zur Pediküre ging. Aber das war ja noch schlimmer: Das war Klassendenken!
»Wieso gehst du nicht mal zur Fußpflege?«, hatte Livia ihn vor einiger Zeit gefragt, als sie sah, dass die Nägel seiner beiden großen Zehen zu dick geworden waren und einer zu Jesus, der andere zum heiligen Johannes hinschielte. Er wollte nicht, er fand, das sei was für Reiche oder für weibische Männer. Kurz und gut - diese tollen Ermittlungen gingen von einem Vorurteil aus, das über ein zweites Vorurteil geschmiert war!
Montalbano hatte keine Lust, ins Kommissariat zu fahren. Er fühlte sich innerlich so leer. Und er fand nicht in Ordnung, was er tat, nämlich dem Maresciallo der Carabinieri ein so wichtiges Element wie den anonymen Brief vorzuenthalten. Aber in seiner Polizistennatur glich er einem Hund, er ließ ungern von dem Knochen ab, in den er sich verbissen hatte. Was tun?
Faul saß er einfach nur da und warf Kiesel nach einem Flaschenkorken, der im Wasser schwamm, aber er traf ihn kein einziges Mal, ein kalter Wind war aufgekommen und kräuselte das Meer. Von Capo Rossello drängten böswillige schwarze Wolken heran. Er spürte, dass er etwas tun musste, bevor die Sintflut sich entlud, er fühlte sich unangenehm getrieben, als musste er sich beeilen. Am besten, er überließ sich den Ratschlägen, die sein Instinkt ihm eingeben würde, ließ sich von sich selbst führen, folgte seiner eigenen Fußspur. Er kehrte ins Kommissariat zurück und rief Fazio zu sich.
»Kannst du dich mal erkundigen, ob die Baustelle noch abgesperrt ist?«
Sie war es. Demnach waren keine Arbeiter zugange, er würde höchstens einen Wachmann antreffen. »Was haben Sie vor? Fahren Sie hin?«
»Ja, bevor der Regen kommt.«
»Dottore, passen Sie auf, dass niemand Sie erkennt. Wenn Verruso erfährt, dass Sie sich dort herumtreiben, gibt's einen Riesenkrach, da können Sie Gift drauf nehmen.«
Er brauchte zwanzig Minuten bis Tonnarello. Der letzte Kilometer war ein Feldweg voller Schlaglöcher. Von einem kleinen Hügel aus sah er unten die Baustelle liegen, sie bauten den Palazzo, oder was es auch war, mitten in einem hässlichen einsamen Tal ohne jedes Panorama. Es gab auch keine anderen Häuser, keinerlei bestellte Felder in der Nähe, nur nacktes Gestein, Agavenstämme, Kaktusfeigen.
Wie konnte man nur auf die bescheuerte Idee kommen, mitten in einer öden Steinwüste ein Haus, oder was es auch war, zu bauen? Die Gegend schien viel geeigneter für ein Hochsicherheitsgefängnis oder eine Klinik für gefährliche Infektionskrankheiten. Die Baustelle war von einer über zwei Meter hohen Wand aus horizontal verlaufenden Brettern eingezäunt, die an Pfosten in regelmäßigen Abständen angebracht waren. In der Mitte der Seite, die Montalbano sehen konnte, war der Bauzaun auf einem längeren Abschnitt unterbrochen, anscheinend war das der Zugang für die Lastwagen und Arbeiter. Er kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können: Die Durchfahrt war zwar offen, aber mehrere rotweiße Plastikbänder, von einer Seite zur anderen gespannt, wiesen darauf hin, dass der Zutritt verboten war. Das waren die Trassierbänder, aber sie stellten kein Hindernis dar. Dahinter befand sich, direkt neben der Durchfahrt, eine kleine Blechbaracke, wohl eine Art Büro. Eine weitere Baracke stand linker Hand direkt am Zaun, sie war groß und länglich,
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