Die Rache des Stalkers
nichts.
Stell dir vor, sie finden eines meiner Opfer. Werden sie sofort wissen, dass ich es war, oder werden sie vermuten, es sei dein Werk?
Picasso, mir gefällt die Vorstellung, wie wir die Stadt verändern. Noch leben unsere Zufallsbekanntschaften in scheinbarer Sicherheit. Je mehr Frauen wir töten, desto eher wird sich Angst wie ein Lauffeuer ausbreiten. Eines Tages – und es dauert nicht mehr lange bis dahin – trauen sie sich nicht mehr nachts auf die Straßen, ohne bei verdächtigen Geräuschen nach hinten zu blicken. Mal dir ihre Furcht aus, sobald wir sie geschnappt haben. Ich werde diese Angst wie ein Vampir aufsaugen.
Und vielleicht überschneiden sich unsere Pfade in der Zukunft und wir gehen gemeinsam gegen sie vor.
Ich berichte dir, wenn es zu Ende gebracht ist. Hab einfach Geduld mit mir.
Altermann
Anja fiel es schwer zu verdauen, was sie in diesen Zeilen gelesen hatte. Offenbar gab es einen weiteren Mörder in ihrer Stadt, der sich an Frauen verging. Sie dachte an Julia und zwang sich, zügig weiterzulesen. Nachdem sie einige der Botschaften ausgewertet hatte, schien es ihr, als vergreife sich Altermann an einem anderen Frauentyp. Dennoch war eine Verbindung zwischen ihm und Julia Volk nicht auszuschließen. Anja unterstrich die Daten der empfangenen Mails, die direkt nach einem Mord verfasst worden waren. Im Computernetzwerk des Präsidiums startete sie eine Anfrage nach Vermisstenmeldungen weiblicher Personen zwischen sechzehn und fünfunddreißig Jahren für die entsprechenden Zeiträume. Einen der EDV-Spezialisten bat sie herauszufinden, wer hinter dem Namen Altermann steckte.
Obwohl sie hundemüde war, würde sie an diesem Abend noch jede E-Mail lesen, die in Zanders Laptop gespeichert war. Mehr konnte sie nicht tun, denn Antworten auf ihre Nachfragen bekäme sie frühestens Montagmorgen.
Sie vertiefte sich wieder in die Nachrichten und stellte fest, dass vor allem Zander anfangs vorsichtig gewesen war. Bestenfalls hatte er angedeutet, was sich in seinem Kopf abspielte. Ein nicht eingeweihter Leser hätte dies für abstruse Fantasien gehalten. Konkreter in seinen Beschreibungen wurde Picasso erst nach seinem zweiten Mord. Als habe Altermann, der ihm anscheinend im Laufe der Kommunikation einen perfekten Entsorgungsort für die Leichen empfohlen hatte, einen Vertrauenstest bestanden. Leider gehörte diese E-Mail zu jenen, die sich nicht mehr auf Zanders Festplatte befanden. Picasso verriet in keiner Zeile, welcher Ort als Grabstätte diente.
Innerlich fluchte Anja. Wie sehr hatte sie sich einen Tipp erhofft. Immerhin wurde nun auch Altermann bei der Darstellung seiner Taten ausführlicher und seine Sprache blumiger. Während sie den Laptop ausschaltete, wünschte sie sich sehnlichst, Altermann zur Rechenschaft zu ziehen.
Zu Hause angekommen, fand sie in ihrem Briefkasten die Telefonrechnung und einen Umschlag ohne Absender. Die krakeligen Buchstaben darauf entlarvten den Verfasser. Warum gab Frank nicht endlich auf?
Zunächst legte sie den Brief achtlos auf den Couchtisch, zog sich bequeme Klamotten an und machte sich eine Kleinigkeit zu essen. Es dauerte eine Viertelstunde, bis sie dazu kam, die Post zu öffnen und Franks hasserfüllte Worte zu lesen.
An einem anderen Tag wäre sie über seine Wortwahl schockiert gewesen. Durch die Mails der beiden Mörder war sie jedoch so abgestumpft, dass sie sich lediglich ärgerte. Frank beschimpfte sie, warf ihr vor, ihn hintergangen zu haben und drohte ihr Konsequenzen an. Natürlich war das nur heiße Luft. Er bellte, ohne zu beißen. Trotzdem ging er mit diesem Schreiben zu weit. Sie griff zum Telefon und wählte seine Nummer. Nach dem sechsten Klingeln sprang sein Anrufbeantworter an.
»Ich bin’s, Anja. Ich habe deinen Liebesbrief erhalten. Spinnst du? Was erlaubst du dir?« Sie räusperte sich kurz. »Ich könnte dich in Teufels Küche bringen, wenn ich diesen Schrieb meinen Kollegen zeige. Ich bin Polizistin, vergiss das nicht, mein Lieber. Solltest du mich noch einmal belästigen, egal ob per Brief, telefonisch oder mit einer SMS, werde ich Anzeige wegen Nötigung und Bedrohung erstatten. Unsere gemeinsame Zeit ist passé. Akzeptier das! Lass mich in Ruhe!«
Sofort nach dem Auflegen zerriss sie seine Zeilen und warf sie in den Papierkorb.
Im Laufe des Abends entsann sich Anja daran, dass sie in der Kooltur nach der Werbung für den Anhänger suchen wollte. Daher fischte sie die Zeitung aus dem Altpapier. Das Inserat stach ihr beim
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