Die Rache ist Dein
schlechter Verfassung bin. Also habe ich es mir zum Kredo gemacht, den Kopf in den Sand zu stecken und nichts Schlimmes zu denken, bevor es passiert. Jeder hat früher oder später mal Krisen. Warum sie vorwegnehmen?« Sofort spürte Marge, wie ihr mulmig wurde. Rina sprach aus Erfahrung — mit vierundzwanzig verwitwet, allein verantwortlich für zwei kleine Jungen, Opfer eines Verbrechens mit sechsundzwanzig, eine Totaloperation mit dreißig. Und Marge beschwerte sich, daß ihre Adoptivtochter zu viel las.
»Vega ist ein wunderbares Mädchen, Marge«, fuhr Rina fort. »Du gibst ihr so viel emotionale Geborgenheit. Paß auf, sie wird sich prächtig entwickeln.«
»Was würde ich dafür geben, deine Gelassenheit zu haben!«
»Das liegt an deinem Beruf. Du erlebst ständig nur Verbrechen und Menschen in Not. Du wunderst dich, wie ich als Mutter so ruhig sein kann, und ich wundere mich, wie ihr, du und Peter und Scott, jeden Tag wieder da rausgehen könnt.«
Marge lachte leise. »Du versuchst, mich mit Komplimenten zum Schweigen zu bringen.«
»Kann sein.«
Sie lachten beide. In dem Moment verlor Hannah den Halt auf dem Klettergerüst, fiel runter und landete auf dem Po. »O je!« Rina lief los, hob das weinende kleine Mädchen auf. »Was ist denn passiert, Süße?«
»Ich bin runtergefallen und hab mir weh getan!« Lautes Heulen. »Sieh mal! Ich blute Und tatsächlich lief ein bißchen Blut über ihr linkes Knie. Das rechte sah besser aus, war aber auch aufgeschürft. »Ach, du Arme!« Rina klopfte Hannahs Kleid ab. »Komm, wir gehen zur Toilette und waschen das ab ...«
»Ich will nach Hause!« kreischte Hannah.
Rina sah auf die Uhr. Kurz nach zwölf. Sie waren seit fast zwei Stunden hier. Das Kind war wahrscheinlich nicht nur »tödlich« verwundet, sondern auch müde und hungrig. Sie hob Hannah hoch, die ihre dünnen Ärmchen um den Hals ihrer Mutter schlang. »Bist du müde?«
»Ich bin nicht müde!« brachte Hannah zwischen den Schluchzern heraus. »Siehst du!« Sie befreite sich aus den Armen ihrer Mutter, hüpfte wie ein Hampelmann auf und ab, ihr Standardprogramm , wenn ihre Eltern behaupteten, sie sei müde. »Ich hab mir nur weh getan!«
Weitere Schluchzer.
»Okay.« Rina nahm sie wieder auf den Arm. »Was hältst du davon, wenn wir nach Hause fahren und Mittag essen?«
Hannah nickte und schniefte. Marge stand jetzt neben ihnen. »Wie lautet das Urteil?«
»Ich glaube, sie hat genug.«
»Danke, Hannah«, sagte Marge. »Ich hab auch genug. Nächstes Mal geh ich mit Vega in die Bücherei. Da kann ich mich wenigstens hinsetzen!«
»Marge ...«
»Hab nur Spaß gemacht.« Sie sah zu Vega hinüber. »Glaubst du, sie hört mich, wenn ich sie rufe?« Rina griff nach der Tasche mit dem Sandkastenspielzeug und den Snacks. »Wir gehen zu ihr. Ich hab heute schon genug geschrien.«
»Gib her.« Marge nahm die Tasche.
Sie hatten den Rasen halb überquert, als Marge die Nase rümpfte. Es roch verdächtig nach Hundescheiße. »Riechst du was?«
»Allerdings.« Rina setzte Hannah ab und überprüfte ihre Schuhsohlen. »Ich will dir ja nicht deine gute Laune verderben, aber von mir kommt es nicht.« Marge betrachtet die Sohlen ihrer Turnschuhe. »O Gott!«
»Iiiiiiii!« Hannah hielt sich die Nase zu, das blutige Knie war vorübergehend vergessen. »Puuuuuuh! Das stinkt!«
»Das reicht, Hannah!« Rina griff in die Umhängetasche und holte ein Päckchen feuchter Tücher heraus.
Marge nahm sie, murmelte: »Das ist doch das Letzte! Wirklich das Letzte!«
»Kann ich dir helfen?«
»Nein, außer du willst meine Schuhe abwischen.«
»Das überlaß ich lieber dir ... «
»Du bist mir eine schöne Freundin!«
»Iiiiiii. Bah, widerlich!«
»Erspar dir deine Kommentare, Kind«, blaffte Marge. Rina lächelte. »Hör zu, mach du deine Schuhe sauber, und ich bring Hannah zum Auto. Wir warten da auf euch.«
»Weißt du, was ich an Turnschuhen hasse?«
»Die Profilsohlen.«
»Genau! Bah! Ist das eklig!«
»Vega kommt. Vielleicht hilft sie dir?«
»Klar, was denn sonst!«
»Iiiiii ... «
Rina legte Hannah die Hand auf den Mund. Das kleine Mädchen kicherte, war offensichtlich begeistert vom Ekel. Der Gestank wurde immer schlimmer, und Rina hielt es für angebracht, sich zu verdrücken. Sie griff nach ihrer großen Schultertasche. »Bis gleich«. Während sie zu ihrem Volvo ging, merkte sie, wie schwer Hannah war. Rinas Kragen war verschwitzt, und ihr Rücken schmerzte. Hannah war zwar ihre Jüngste, aber
Weitere Kostenlose Bücher