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Die Rache ist Dein

Die Rache ist Dein

Titel: Die Rache ist Dein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Knie gegen die Brust gedrückt, die Arme über den Ohren. Marges Schrei: »Polizei! Keine Bewegung!« hörte sie nicht. Aber sie hörte den betäubenden Knall der Schüsse, spürte, wie Kugeln an ihr vorbeipfiffen. Sie zog sich in sich selbst zurück und begann zu weinen. Etwas Schweres und Übelriechendes prallte gegen ihren Rücken, warme Nässe sickerte über ihren Hals. Rina schrie, schüttelte das Gewicht mit ruckhaften, unkontrollierten Bewegungen ab. Sie schrie immer noch, als Vega die Arme um sie legte. Selbst als Marge sie hochzog und fest an sich drückte, schrie sie weiter. »Ist ja gut, dir ist nichts passiert!« versicherte ihr Marge.
    Rina zitterte am ganzen Leib, konnte nicht sprechen, konnte sich kaum aufrecht halten. »Dir ist nichts passiert«, wiederholte Marge, wiegte sie sanft. »Ist ja gut, ist ja gut!« Plötzlich setzte der Mutterinstinkt ein. Rina schob Marge weg, rief »Hannah!«, lief um das Auto und stieß die Rückklappe auf. Das kleine Mädchen hüpfte auf dem Rücksitz herum. Als es das Gesicht seiner Mutter sah, totenbleich, tränenüberströmt, wurde es ganz still. »Tut mir leid, daß ich auf dem Sitz herumgehüpft bin, Ima. Ich schnall mich an. Sei nicht böse. Bitte sei nicht böse!« Hannah brach in Tränen aus, hatte überhaupt nicht mitbekommen, was gerade passiert war. Menschen strömten auf das Auto zu. Marge zückte ihre Dienstmarke, befahl allen zurückzutreten. Ihre Stimme war ruhig, voller Autorität. Nur Minuten vorher war sie eine verunsicherte Mutter gewesen. Die beiden Seiten von Marge schienen nicht zusammenzupassen, aber war das nicht bei vielen Menschen so? Rina nahm sich ein Beispiel an Marges professioneller Selbstsicherheit, fand ihre Stimme wieder. »Komm sofort aus dem Auto, Hannah!«
    »Es tut mir soooo leid, Ima!«
    »Komm raus!« schrie Rina, zerrte ihre Tochter am Arm. Die Kleine rutschte auf dem Bauch über den Sitz und schluchzte hysterisch, als sie endlich draußen war. Rina sehnte sich danach, sie in die Arme zu nehmen und zu küssen, weil sie das als Mutter brauchte. Aber für Hannah war es wichtig, so schnell wie möglich vom Tatort wegzukommen, bevor sie begriff, was hier Schreckliches passiert war. Rina schob sich zwischen ihre Tochter und den grausigen Anblick und blaffte Befehle für Vega. »Bring Hannah zurück in den Park, und spiel mit ihr, bis ich dich rufe!«
    »Ich will bei dir bleiben!« heulte Hannah. »Geh!« befahl sie Vega.
    Der Teenager, aufgewachsen in einer Sekte, war an Befehle gewöhnt. Vega hob das kreischende Kind hoch und rannte mit ihm über die Straße. Als sie außer Sichtweite waren, verbarg Rina das Gesicht in den Händen und schluchzte so sehr, daß ihre Schultern bebten. Jemand redete auf sie ein, aber sie hörte nur weißes Rauschen. Gleich darauf tadelte sie sich, weil sie sich gehenließ, riß sich zusammen. Sie lebte und sie war in Sicherheit. Hannah lebte und war in Sicherheit. Was wollte sie mehr? Sie sollte Marge danken, sollte Vega dafür danken, daß sie sie gesehen hatte, sollte Haschern danken, daß er alles hatte gut ausgehen lassen.
    Schweigend sagte sie gomel, das jüdische Gebet, mit dem man Gott dankt, wenn er eine Gefahr abgewendet hat. Danach wurde sie ruhiger. Sie lugte zwischen ihren Fingern hindurch und sah Marge gestikulieren, das Handy am Ohr. Du hast ein Handy! sagte sich Rina. Ruf Peters Pager an!
    Marge gelang es irgendwie, die Ordnung aufrechtzuerhalten, während sie gleichzeitig mit Maschinengewehrtempo ins Handy sprach. Rina trocknete sich die Augen, griff nach der Schultertasche, verstreute den halben Inhalt auf der Straße, einschließlich ihres Handys. Mit zitternden Fingern tippte sie die Zahlen für den Pager ihres Mannes ein. Und wartete auf den Rückruf ...
    Marge war immer noch von Neugierigen umringt. »Machen Sie Platz! Treten Sie zurück!« Sie sah zu Rina, rief: »Wo sind die Kinder?«
    »Hannah ist mit Vega im Park. Ich will nicht, daß die beiden in die Sache verwickelt werden.«
    Sie sind bereits darin verwickelt, sagte sich Marge. Zumindest Vega. Sie dachte an Rinas Worte: Jeder hat früher oder später mal Krisen. Im nachhinein kam ihr Hundescheiße wie eine verdammt milde Krise vor.
    »Alles in Ordnung?« fragte sie.
    »Ja, alles in Ordnung.« Rina gelang ein zittriges Lächeln.
    Marge streckte die Arme nach Rina aus, vergaß ihre Pflichten als Polizistin, weil sie zu allererst ein Mensch war. Sie umarmten sich, sie war unendlich dankbar, daß sie beide unverletzt waren.

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