Die Rache ist Dein
reichte. Ein rascher Blick über die Schulter. Der Camry war weg. Unwillkürlich atmete sie tief aus.
Sie kroch dahin, die Augen zusammengekniffen gegen die in der Sonne blitzende Wand der Chromstoßstangen, die immer wieder zum Stillstand kam. So schlimm wie auf dem Freeway konnte es unten auf den Straßen nicht sein. Cindy blinkte, nützte eine Lücke aus und drängte sich nach rechts. Sie drehte das Fenster runter, versuchte den Blick des Fahrers in dem schwarzen Jeep neben ihr aufzufangen. Der Drecksack tat so, als würde er sie nicht sehen. Du kommst doch auch nicht vorwärts, Junge. Warum bist du so dickköpfig?
Wieder dachte sie an Oliver, daran, wie er sich gestern mit seiner Dienstmarke vorgedrängt hatte. Cindy fand sein Verhalten lüde und arrogant. Tja, wie die Mächtigen der Versuchung erliegen, wenn sie im Stau stecken! Sie hupte, machte den Jeepfahrer auf sich aufmerksam. Er funkelte sie böse an, und sie zeigte ihm ihre Dienstmarke. Er wurde bleich.
»Machen Sie Platz! Ich hab's eilig!« brüllte sie. Er gehorchte.
Also war sie auch nicht besser. Aber sie konnte darüber lachen. Endlich gelangte sie auf die rechte Fahrbahn, fuhr bei Laurel ab und fädelte sich in den Gegenverkehr aus dem Valley ein. Die Straßen waren ebenso verstopft, nur kamen hier noch die Ampeln dazu.
Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, vom Freeway abzufahren, aber jetzt saß sie fest. Vierzig Minuten lang quälte sie sich durch den dichten Pendlerverkehr im Valley, fuhr dann bei Burbank und Sepulveda auf die 405. Der Freeway war nicht gerade leer, aber wenigstens bewegten sich die Autos. Sie beschloß, daß jetzt höhere Geschwindigkeit angesagt war, und begann mühsam, sich zur linken Fahrbahn vorzuarbeiten. Da, eine Lücke zwischen einem Explorer und einem Volvo. Nur ein rasche Blick über die Schulter, zur Sicherheit ...
Sofort schlug ihr Herz wie wild. Der zerbeulte Camry war wieder da.
Drecksack! Drecksack, Drecksack, Drecksack! Denk nach, Decker!
Okay, der Wagen folgt dir. Sieh zu, daß du das Kennzeichen kriegst, gib es durch, finde raus, ob was gegen den Typ vorliegt. Eine gute Strategie, nur wurde der Camry langsamer, sowie sie langsamer fuhr - und blieb stets hinter ihr.
Sie konnte auf Nummer Sicher gehen und es melden. Ihm einen Streifenwagen hinterherschicken, der das Kennzeichen feststellte. Kein Problem. Sie hatte ein Handy in der Tasche. Aber wie würde das aussehen? Daß sie sich von einem Schrottauto verfolgen ließ und nicht damit fertig wurde! Wenigstens mußte sie das Kennzeichen kriegen. Das war das mindeste.
Da der Camry-Fahrer eine Konfrontation offenbar vermeiden wollte, mußte sie ihn austricksen. Dazu mußte sie nur wenden, ordentlich Gas geben und an ihm vorbeischießen, bevor er reagieren konnte. Aber auf dem Freeway ging das nicht. Sie mußte runter, das Auto würde ihr sicher folgen. Aber wo sollte sie abbiegen? Sie war immer noch zwanzig Minuten vom neuen Haus ihres Vaters entfernt. Sie kannte sich hier zwar aus, aber nicht so gut wie im nordöstlichen Valley, wo ihr Vater zehn Jahre lang eine Ranch gehabt hatte. Das Gebiet im Nordosten war weniger stark besiedelt und ging schließlich in den Angeles Crest National Forest über. Viele ungeteerte Straßen und hügeliges Gelände. Weiter oben in den Bergen war es dicht bewaldet. Richtig ... einsam ...
Sie überlegte, ob der Camry wohl dumm genug war, ihr zu folgen. Sobald sie die Berge ansteuerte, mußte ihm klar sein, daß sie Bescheid wußte. Sie erhöhte das Tempo, fuhr wieder langsamer. Der Camry hielt Schritt.
Okay, ihr blieb also keine andere Wahl. Sie würde ihn überlisten. Die richtige Stelle finden, dann plötzlich wenden, bevor er wußte, was los war. Wenn er auszubrechen versuchte, hätte sie trotzdem das Kennzeichen.
Als der Verkehr auf dem Freeway nachließ, fuhren die Autos schneller, und Cindy erhöhte auf hundertzehn. Weil die Sicht besser war, fiel der Camry zurück. Mit klopfendem Herzen kramte sie in ihrer Handtasche nach ihrer Waffe. Das Metall fühlte sich gut an, und obwohl Cindy die Waffe gerne auf den Sitz neben sich gelegt hätte, ließ sie sie in der Tasche. Sie nahm den Fuß vom Gaspedal und wurde langsamer. Erstaunlich. Ihr Selbstmitleid war verflogen, während sie ihren Schlachtplan entwickelte.
Am Foothill Boulevard verließ sie den Freeway und wartete an einer Ampel. Hinter sich sah sie den Camry, nur noch eine Wagenlänge entfernt. Die Ampel sprang um, und sie paßte sich dem Verkehr auf
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