Die Rache. Thriller.
Hand. Sie schüttelten einander feierlich die Hände und lachten. »Abgemacht.«
»Glaubst du, daß der Zauber noch wirkt?« fragte Tommy.
»Warum nicht?« antwortete Pearson.
»Genau, warum, zum Teufel, sollte er nicht«, sagte Tommy mit Bestimmtheit.
»Aber Tommy, woher hast du denn diesen Ausdruck?«
»Das sagt Daddy immer, wenn er sich ärgert und will, daß seine Stimme böse und streng klingt. Dann sagt er: ›Tommy, geh endlich ins Bad, zum Teufel noch mal‹, oder so ähnlich.«
Der Richter mußte laut lachen, so perfekt ahmte Tommy die Stimme seines Vaters nach. Wir vergessen oft, daß wir nichts weiter sind als Spiegel, die genau wiedergeben, was sie wahrnehmen, dachte er.
Tommy stand auf. »Großvater, weißt du, was mich schon den ganzen Tag stört? Heute ist das erste Mal, daß ich so lange hintereinander nicht den Himmel sehen kann. Wenn ich zu Hause krank bin, kann ich ja wenigstens aus dem Fenster gucken. Auch im Krankenhaus, als ich noch kleiner war und die ganzen Tests machen mußte, wußte ich immer noch, wie es draußen ist. Ich hab’ rausgeguckt und mir vorgestellt, was ich draußen alles machen könnte. Aber hier weiß ich nicht, ob die Sonne scheint, ob es geregnet hat, ob Wind weht oder ob es vielleicht schneit. Vielleicht ist es wieder ein bißchen wärmer geworden, und ich könnte nachmittags auf den Sportplatz der Schule nur im Pullover gehen. Hier drin weiß man einfach nichts. Das finde ich doof. Es ist ja wie im Gefängnis!« Tommy schüttelte traurig den Kopf.
Der Richter stand auf und stellte sich dicht neben Tommy. Gefängnis, dachte er, und dieses Wort löste eine ganze Gedankenfolge bei ihm aus.
»Großvater, sag mal was!« Tommy weckte ihn aus seinen Überlegungen. »Laß mich mal nachdenken, Tommy. Was glaubst du denn, was für ein Wetter wir haben?«
»Wie soll ich denn das wissen, ich sehe doch nichts!«
»Wenn es geregnet hätte, hätten wir sicher gehört, wie der Regen auf das Dach prasselt und durch die Regenrinne läuft. Die ist gleich hier draußen. Also, geregnet hat es schon mal nicht.«
»Na gut, kein Regen. Aber wie ist es mit Schnee?«
»Wenn Schnee liegt, kann man ihn von innen an der Decke spüren, denn das Dach wird kälter. Ich hebe dich jetzt hoch, und du fühlst nach, ob es kälter ist, ja?«
Er hatte Zweifel, ob er recht hätte, dennoch beugte er sich hinunter und hob seinen Enkel in die Höhe. Der Junge streckte die Hand aus und befühlte die Zimmerdecke. »Es ist kalt, aber doch nicht ganz so kalt«, sagte er.
»Und was bedeutet das?«
»Es liegt noch kein Schnee«, antwortete der Junge.
Pearson setzte Tommy wieder ab. Dieser lief zu dem dünnen Teil der Wand, legte sein Ohr dagegen und lauschte ein paar Sekunden. Ihn fröstelte. »Es ist sehr, sehr kalt. Ich hab’ auch etwas Wind gehört.«
»Also ist die Temperatur gefallen, und der Wind bläst ein wenig.«
»Und der Himmel? Das will ich wissen! Ist er klar, oder sind da Wolken?«
»Jetzt weiß ich auch nicht mehr weiter«, sagte der Richter. »Manchmal bläst der Wind alle Wolken weg, aber er kann sie auch alle zusammenpusten.«
»Ich glaube, er ist voller Wolken«, sagte Tommy, immer noch fröstelnd. »Voller dicker grauer Wolken. Und die Leute haben alle Stiefel angezogen, um zur Schule oder zur Arbeit zu gehen. Sie haben Angst, daß es heute schneit. Und die Luft ist ganz feucht und schwer, so, als ob alles gleich runterkommt.«
»Weißt du noch, Tommy, letztes Jahr hatten wir zwei Wochen vor Thanksgiving schon zehn Zentimeter Schnee.«
»Und Weihnachten waren wir Schlittenfahren bei Jones Farm.«
»Also gibt es vielleicht bald richtigen Winter.«
»Hoffentlich«, sagte Tommy. »Ich darf doch dieses Jahr in der Eishockey-Mannschaft mitspielen.«
Pearson wandte sich eilig ab. Dieses Jahr, dachte er, was wird da sein? Er hätte nichts lieber getan, als ihre mißliche Lage zu verdrängen. Unmöglich.
Tommy lief wieder zu der dünnen Stelle in der Wand. Er wischte mit der Hand über das Holz und drückte gegen die Bretter. »Du, Großvater, wir könnten doch versuchen, die Bretter loszumachen. Mit unserem Nagel. Ich fange an zu kratzen, dann hab’ ich auch was zu tun.«
Pearson sah den fragenden Blick seines Enkels und sagte: »Zum Teufel noch mal, Tommy, wir haben lange genug herumgesessen! Jetzt probieren wir’s.«
Er ging ebenfalls zur Wand und kniete sich davor, um sie genauer zu betrachten. »Gut, wir fangen gleich an, aber leise, Tommy!«
Er wollte gerade den
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