Die Rache
romantisch«, sagte Flo Glitsky.
Abes Hand schloß sich fester um die seiner Frau.
»Ich finde, es ist besser als all die Verabredungen, die unsere Freunde haben. Sie tun immer die gleichen langweiligen Dinge – ins Kino gehen, zum Essen. Sich mit Freunden treffen. Konzerte, Oper, Tanzen. Aber nicht mein Mann und ich. Nein … Aus unserem Leben ist die Romantik noch nicht gewichen. Wir gehen an Orte, wo Menschen ermordet wurden, und liegen auf der Lauer.«
»Wir bekommen noch früh genug was zu essen«, erwiderte Abe.
»Nein, ich meine es ernst. Wer braucht schon was zu essen?« Sie fuhr mit der Hand über sein Bein. »Hors d’ œuvres habe ich hier auch bekommen.«
»Flo …«
»Ich weiß«, sagte sie. »Schon gut.«
»Ich versuche lediglich, mir vorzustellen …« sagte er. »Es war ungefähr um diese Zeit, vielleicht ein wenig später.«
»Hast du nicht gesagt, gegen zehn?«
»Zwischen acht und Mitternacht, genauer läßt es sich nicht sagen. Nachdem es dunkel war, vermute ich. So wie jetzt.«
»Der Mond …« begann sie.
»Der hätte nicht gestört. Es war Nebel, erinnerst du dich?«
»Hat der Nebel die Schüsse gedämpft?«
»Jedenfalls hat niemand sie gehört. Aber die Leute, die auf dem nächsten Boot wohnen, waren erst gegen zehn, halb elf zu Hause.«
»Also war es vorher?«
»Wahrscheinlich«, erwiderte Abe.
Flo wandte sich zur Seite, legte ihren Kopf auf das Kissen am Kopfende des Bettes, schlang die Beine um die Taille ihres Mannes, schloß die Augen.
»Ich versuche nur, mir vorzustellen, was hier geschehen ist«, sagte er.
»Ich weiß.« Sie beugte sich ein wenig vor und streichelte seinen Rücken. »Laß dir Zeit. Das mit dem Essen war Spaß.«
Die Flut wurde stärker, und das Boot zerrte leicht an den Tauen am Steg. Abe holte tief Luft. »Du findest, ich nehme die Sache zu ernst, nicht wahr?«
»Eigentlich nicht.«
»Auch nicht manchmal?«
Flo rollte sich auf die Seite und stützte sich auf den Ellbogen. Ihr blondes Haar leuchtete im Mondlicht, das durch die offene Vordertür fiel. »Zeiten wie diese sind ein bißchen … unüberschaubar, finde ich.«
»Warum?«
Sie dachte nach. »Wegen des Ärgers, den es in letzter Zeit mit deiner Arbeit gegeben hat. Der Wechsel nach Los Angeles. Eine Seite von dir will von all dem fort, die andere bringt dich an deinem freien Abend mit deiner verführerischen alten Ehefrau an den Tatort.«
»Vielleicht die Gewohnheit.«
»Nein. Nicht die Gewohnheit. Ich kenne deine Gewohnheiten, und das hier gehört nicht dazu.« Sie hielt inne. »Gott sei Dank.«
Sie hatten es sich bequem gemacht. Er streichelte ihre Beine, die noch um seine Taille geschlungen waren, mit beiden Händen.
»Also … Was bringt es dir, hier zu sein?« fragte sie.
»Nichts, was mir vorher nicht auch schon klar war. Jedenfalls bis jetzt noch nicht.«
»Man hat die Waffe – die Mordwaffe – im Kanal gefunden?«
»Ja, man hat eine Waffe gefunden, aber ich hatte bereits so eine Ahnung, daß die Frau nicht vergiftet worden ist.«
»Vielleicht liegt es an Dismas.«
»Oh, zum Teil liegt es an Dismas, daran besteht kein Zweifel.«
»Die Frage ist nur, zu welchem Teil.«
Er nickte. »Das ist es.« Er befreite sich aus der Umklammerung ihrer Beine, ignorierte ihr ›He!‹, ging zur Schlafzimmertür und schaltete das Licht ein.
»Diz glaubt, daß Louis Baker hergekommen ist und Rusty Ingraham niedergeschossen hat. Diz ist nicht dumm und seine Angst berechtigt.«
»Stimmt.«
»Das Problem ist nur: Wo steckt Rustys Leiche?«
»Vielleicht draußen in der Bucht?«
Abe ging hinüber zur Hintertür und lehnte sich stumm dagegen. »Von dieser wilden Flut hinausgespült, ja?«
Sie war aufgestanden und neben ihn getreten. »Vielleicht.«
»Und die Kleine – entschuldige: die Frau? Maxine Weir? Warum ist sie getötet worden?«
»Weil sie hier war, Abe. Das ergibt einen Sinn. Louis Baker hat auch sie getötet.«
»Okay, aber was ist mit der Halsstütze? Der medizinische Bericht sagt, ihr Hals war in Ordnung.«
»Das weiß ich nicht.«
Glitsky setzte sich wieder aufs Bett. »Warum ist jeder so schnell bereit zu glauben, daß es Louis Baker war?«
Flo kam zu ihm. »Das ist doch offensichtlich, oder? Er hat In graham und Hardy bedroht. Er hat gesagt, er würde es tun, Abe.«
»Ja, es paßt wunderbar. Aber paßt es nicht einfach zu gut? Ich bin nicht sicher. Ausgerechnet der Tag, an dem er aus dem Gefängnis kommt …«
Flo zuckte die Schultern. »Verbrechen aus
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